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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

speichert für den Körper die Nahrungsmittel auf und verschafft sie ihm von überall her; das aber ist ein gegen die Seele errichtetes schweres Bollwerk. 47 Seine Lebensanschauung und sein Streben im Leben aber bezeugt nicht zum wenigsten auch sein Name. Joseph nämlich bedeutet „Zusatz“.[1] Der leere Wahn aber setzt dem Echten immer das Unechte zu, dem Eigenen das Fremde, dem Wahren die Lüge, dem Selbstgenügsamen das Übermaß, dem Lebensunterhalt die Schwelgerei, dem schlichten Lebenswandel die Hoffahrt.

[7] 48 Achte aber darauf, was ich hiermit sagen will. Durch Speisen und Getränke werden wir ernährt, auch wenn es nur wohlfeilstes Gerstenbrot und frisches Wasser ist. Wozu hat nun eitler Wahn unzählige Arten von Kuchen, Honiggebäck und anderem Backwerk dazu gesetzt und mit viel Mühe bereitete, mannigfache Mischungen unzähliger Weine, die mehr zur Befriedigung des Gelüstes als zur Nahrungsaufnahme hergerichtet worden sind? 49 Ferner sind Gewürze zur Nahrung notwendig wie Zwiebeln, Küchenkräuter und viele Obstsorten und schließlich Käse und dergleichen; wenn du willst, nehmen wir bei den an Fleischnahrung gewöhnten Menschen auch noch Fische und verschiedenes Fleisch hinzu. 50 Wäre es nun nicht genug, wenn sie das auf Kohlen rösteten und einfach auf dem Feuer brieten nach Art der wahrhaft heroischen Männer[2] und so zu sich nähmen? Doch hierauf allein geht der Schlemmer nicht aus, sondern er verbündet sich mit dem eitlen Wahn, weckt die in ihm liegende Lüsternheit und sucht und hält Ausschau nach Köchen und durch ihre Kunst berühmten Anrichtern. 51 Wenn diese die seit langer Zeit für den armen Magen erfundenen Reizmittel herangeschafft, Speisen von eigentümlichem Geschmack hergerichtet und sie gehörig angeordnet haben, schmeicheln sie der Zunge und verwöhnen sie; dann ködern sie sich als Zugang zu den Sinnen den Geschmack, durch den der, der sich auf die Jagd nach Gastereien machte, alsbald statt eines freien Mannes als Sklave erscheint. 52 Wer wüßte wahrlich nicht, daß die Kleidung zunächst gegen die dem Körper aus Kälte [666 M.] und Hitze entstehenden Schädigungen angefertigt wurde? Windabwehrend, wie die Dichter irgendwo sagen,[3] im Winter, abkühlend aber im Sommer. 53 Wer läßt nun die prächtigen


  1. Vgl. Über Joseph § 28 und die Anmerkung dazu.
  2. Das sind die Helden des Epos; bei Homer bereitet z. B. Patroklos (Ilias XI 205ff.) ein solches Mahl.
  3. Homer, Od. XIV, 529.
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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 233. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/71&oldid=- (Version vom 7.10.2018)