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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

gereinigt hatte durch die zur Heiligung [655 M.] wohl vorbereiteten Besprengungen, uns bunt gefärbt hatte durch die unaussprechlichen Worte einer wahrhaften Philosophie, dadurch daß sie uns zur Prüfung führte und uns klar, leuchtend und strahlend gemacht hatte, beschuldigt sie den hinterhältigen Charakter, der sich hatte hinreißen lassen zur Beschimpfung des geschilderten Vorgangs. 227 Es heißt nämlich: „Ich habe gesehen, was Laban dir tut“ (1 Mos. 31, 12), doch wohl das Gegenteil von dem, womit ich selbst dich beschenkt habe: das Unsaubere und Unerprobte, das gänzlich Finstere. Doch der braucht sich nicht zu fürchten, der in der Hoffnung auf göttliche Bundesgenossenschaft ruht und zu dem ja auch gesagt wird: „Ich bin der Gott, der dir an dem Orte Gottes erschien“ (1 Mos. 31, 13). 228 Ist es doch für eine Seele der schönste Ruhm, wenn Gott sie für würdig hält, ihr zu erscheinen und mit ihr zu verkehren. Aber gehe an dem, was hier gesagt wird, nicht vorüber, sondern untersuche genau, ob tatsächlich von zwei Göttern die Rede ist; denn es heißt: „Ich bin der Gott, der von dir gesehen wurde“, nicht an meinem Orte, sondern „am Orte Gottes“, wie wenn es sich um einen anderen handelte.[1] 229 Was soll man nun sagen? Der wahrhafte Gott ist nur einer; die Götter aber, von denen man in uneigentlicher Redeweise spricht, sind mehrere. Deshalb hat auch die heilige Schrift an der vorliegenden Stelle den in Wahrheit existierenden Gott durch (das Wort „Gott“ mit) Artikel bezeichnet und gesagt: „Ich bin der Gott“, den in uneigentlichem Sprachgebrauch aber (Gott genannten durch das Wort „Gott“) ohne Artikel mit den Worten: „der von dir gesehen wurde an dem Orte“, nicht des Gottes, sondern nur „Gottes“. 230 Sie (die heilige Schrift) nennt aber Gott (ohne Artikel) hier seinen ältesten Logos,[2] ohne sich abergläubisch mit dem Gebrauch von Wörtern in acht zu nehmen, sondern nur das eine Ziel verfolgend, den Sachverhalt auszudrücken. Denn auch an anderen Stellen, wo sie danach forscht, ob es einen Namen des Seienden gibt, erkannte sie deutlich, daß er keinen Eigennamen hat (2 Mos. 6, 3);[3]


  1. Die Schwierigkeit entsteht durch die LXX, welche den Ortsnamen Betel etymologisch durch ἐν τόπῳ θεοῦ wiedergibt.
  2. Es ist schon oft darauf hingewiesen worden, daß im Anfang des Johannesevangeliums offenbar derselbe Gebrauch des Wortes θεός mit und ohne Artikel vorliegt: Ἐν ἀρχῇ ἦν ὁ λόγος, καὶ ὁ λόγος ἦν πρὸς τὸν θεόν, καὶ θεὸς ἦν ὁ λόγος.
  3. Philos Text lautet nach Über die Namensänderung § 13: καὶ τό ὄνομά μου κύριον οὐκ ἐδήλωσα. Er faßt κύριον als Adjektiv zu ὄνομα auf.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 219. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/57&oldid=- (Version vom 7.10.2018)