Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/53

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

ausgelassen ist, und alles andere, woraus das ganze Menschenleben besteht, und er fügte es harmonisch zu einem einzigen bunten Werk zusammen, wobei er das Leichtlernen mit dem Viellernen verband. 206 Und den Verfertiger dieses Geflechts nannte die heilige Schrift Beseleel (2 Mos. 31, 2ff.), was übersetzt bedeutet „im Schatten Gottes“; denn dieser stellt nur die Nachahmungen, Moses aber die Muster her. Daher zeichnete jener nur gleichsam Schatten nach, dieser aber verfertigte keine Schatten, sondern die urbildlichen Wesen selbst. 207 Wenn nun auch das Heiligtum durch die Webekunst ausgestattet wurde, wenn es in den durch den Hierophanten verkündeten Offenbarungen heißt, der Weise allein sei ein Weber, [36] und wenn das schöne Gewebe Gottes, diese unsere Welt, durch allweises Wissen vollendet wurde, sollte es da nicht richtig sein, die Webekunst als eine Großtat[1] der Wissenschaft aufzufassen? 208 Ihr heiligstes Bild wird jedes Haus der Weisheit im Himmel und auf Erden in sich darstellen, deren aus bunten Logoi sich zusammensetzende Ideen der Ringer ausarbeitet; denn nach den durch und durch weißen sieht er alsbald die bunten, durch den Stempel der Bildung geprägten. 209 Die dritten aber sind die graugesprenkelten. Welcher vernünftige Mensch aber würde nicht sagen, daß auch diese ihrem Wesen nach bunt sind? Doch nicht über den Unterschied von Tieren ereifert er (der Gesetzgeber) sich so, sondern über den Weg, der zum Schönen und Guten führt.[2] 210 Er will nämlich, daß der auf diesem Wege dahinschreitende mit Asche und Wasser besprengt werde, weil, wie es heißt, Erde und Wasser gemischt und geformt wurden von dem Menschenbildner, um unseren Körper auszuscheiden, nicht als ein von Händen gemachtes, sondern als ein Werk eines unsichtbaren Wesens. 211 Nun ist es der Anfang der Weisheit, sich selbst nicht zu vergessen, sondern das, woraus man zusammengesetzt wurde, immer vor Augen zu haben; denn nur so kann man sich von Hochmut rein halten, dem [653 M.] gottverhaßtesten Übel. Denn wer könnte bei dem Gedanken, daß Asche und Wasser die Ursprünge seiner Entstehung sind, vom Größenwahn befallen werden und sich überheben? 212 Deshalb verlangt er auch, daß diejenigen, die opfern wollen, mit den angeführten


  1. Die Übersetzung folgt den codd., die μεγαλεῖον überliefern.
  2. Nimmt man σποδοειδεῖς ῥαντοί im Wortsinne als aschgrau gesprenkelt, dann bezeichnet es nichts anderes als ποικίλοι bunt; erst die allegorische Deutung, die jeden der beiden Begriffe verselbständigt: σποδός und ῥαίνειν, ergibt für Philo einen befriedigenden Sinn.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 215. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/53&oldid=- (Version vom 7.10.2018)