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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

sie verkünden (διαγγέλλουσι) die Befehle des Vaters den Kindern und die Bedürfnisse der Kinder dem Vater.[1] 142 Darum läßt er sie auch hinauf- und hinabsteigen, nicht weil der überall hindringende Gott Wesen braucht, die (ihm) etwas offenbaren sollen, sondern weil es uns hinfälligen Menschen frommt, uns der vermittelnden und schlichtenden Logoi zu bedienen, weil der Allwaltende und die höchste Stärke seiner Macht Bestürzung und Entsetzen erregt. 143 Wenn wir ihn zu Gesicht bekämen, dann brauchten wir wohl einen der Mittler und würden sagen: „Sprich du für uns, und möge Gott nicht zu uns sprechen, auf daß wir nicht sterben“ (2 Mos. 20, 19). Nicht nur weil wir die Strafen, sondern weil wir auch die überschwenglichen und reinen Wohltaten nicht aufnehmen könnten, wenn er sie selbst unmittelbar darböte, ohne sich anderer als Helfer zu bedienen. 144 Sehr richtig wird die Luft unter dem Bild einer Leiter als auf die Erde gestützt vorgestellt; denn die aus der Erde aufsteigende Dünste werden immer dünner und schließlich zu Luft, so daß Fuß und Wurzel der Luft die Erde, der Himmel aber ihr Haupt ist. 145 Jedenfalls sagt man, daß der Mond keine ganz reine Verdichtung des Äthers ist wie jeder andere Stern, sondern eine Mischung aus Äther- und Luftsubstanz;[2] und das an ihm sichtbare Schwarze, was manche Leute sein Gesicht nennen, sei nichts anderes als die ihm beigemischte Luft, die ihrer Natur nach schwarz ist und sich bis zum Himmel erstreckt. [23] 146 Das ist die symbolisch so genannte Leiter in der Welt; suchen wir aber nach der in den Menschen, so werden wir die Seele finden, deren Fuß das gewissermaßen Erdige, die Sinnlichkeit, ist, deren Haupt aber das gleichsam Himmliche: der reinste Geist. 147 Die ganze Leiter auf und ab aber wandeln fortwährend [643 M.] die Logoi Gottes; wenn sie hinaufsteigen, ziehen sie sie mit in die Höhe, trennen sie vom Sterblichen und zeigen ihr den Anblick des allein Sehenswerten; wenn sie aber herunterkommen, stürzen sie sie nicht hinab – denn weder Gott noch ein göttlicher Logos ist schuld an einer Schädigung –, sondern sie steigen mit hinab aus Menschenliebe


  1. Zur Engellehre Philos s. die Anmerkungen zu Über die Riesen § 7ff. 12ff.
  2. Daß der Mond eine Mischung aus Äther oder Feuer und Luft sei, war die Lehre des Parmenides (Diels 18 A 37) und des Empedokles (Diels 21 A 30), die dann allgemein von den griechischen Meteorologen übernommen wurde. Über das Mondgesicht hat Plutarch einen Dialog geschrieben, in dessen 5. Kapitel die von Philo erwähnte Ansicht als stoische bekämpft wird.
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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/40&oldid=- (Version vom 7.10.2018)