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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

nicht mehr Gott, sondern Gottes Logos, wie auch Abraham, der Ahn seiner Weisheit. Denn es heißt: „Der Herr ging fort, als er aufgehört hatte, mit Abraham zu reden, und Abraham kehrte zurück zu seinem Ort“ (1 Mos. 18, 33), woraus zu schließen ist, daß die auf solche heiligen Logoi treffen, von denen sich Gott, der Vater des Alls,[1] abgewendet hat, der nicht mehr die von ihm selbst, sondern die von den ihm untergeordneten Kräften ausgehenden Erscheinungen verbreitet. 71 Außergewöhnlich schön aber ist es, daß er nicht sagt, er komme nach dem Orte, sondern er begegne einem Orte. Das Kommen ist nämlich etwas Freiwilliges, das Begegnen aber oft etwas Unfreiwilliges, und dies geschieht, damit der göttliche Logos plötzlich erscheine und der einsamen Seele eine unerwartete, alle Hoffnung übertreffende Freude dadurch verheiße, daß er ihr Weggenosse werden will. Und so „führt auch Moses das Volk heraus zur Begegnung mit Gott“ (2 Mos. 19, 17), da er sehr gut wußte, daß er selbst unversehens in die Seelen kommt, die sich danach sehnen, mit ihm zusammenzutreffen.

[13] 72 Er führt aber auch den Grund dafür an, warum er einem Orte begegnete: „Es ging“, heißt es nämlich, „die Sonne unter“ (1 Mos. 28, 11), nicht diese sichtbare Sonne, sondern das ringsum erglänzende und erstrahlende Licht des unsichtbaren und mächtigsten Gottes. Sobald dies dem Geiste erglänzt, gehen die Flammen zweiten Ranges, die der Logoi, aus, und die sinnlichen Örter liegen dann um so mehr alle im Schatten; wenn aber andererseits es selbst verschwindet, so tauchen sie alsbald alle empor und gehen auf. 73 Wundere dich nicht darüber, wenn die Sonne nach den Regeln der Allegorie dem Vater und Leiter des Weltalls gleichgesetzt wird; denn Gott ist in Wahrheit nichts ähnlich; was aber dem Anschein nach für ihm ähnlich gehalten wird, sind nur zwei Dinge, ein unsichtbares und ein sichtbares, und zwar ist die Seele das unsichtbare, die Sonne aber das sichtbare. 74 Die [632 M.] Ähnlichkeit der Seele nun hat er selbst an anderer Stelle offen ausgesprochen, wo er sagt: „Gott schuf den Menschen, nach Gottes Bilde schuf er ihn“ (1 Mos. 1, 27), und in dem gegen die Mörder erlassenen Gesetz wiederum: „Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll auch vergossen werden; denn ich habe den Menschen in Gottes Bilde gemacht“ (1 Mos. 9, 6), die mit der Sonne aber hat er symbolisch kundgetan. 75 Das ist nun leicht


  1. Nach L. Cohns Konjektur, der ὁ πατὴρ τῶν ὅλων θεός liest.
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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 188. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/26&oldid=- (Version vom 7.10.2018)