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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

schwatze über die Erscheinungen an ihm, wo du nach dem Dichterwort nicht einmal erkennen kannst, „was dir in deiner eigenen Wohnung Böses und Gutes bereitet ist“,[1] hole vielmehr den Beobachter vom Himmel herunter, ziehe ihn von der Forschung dort ab und erkenne dich selbst, dann wirst du auch fleißig daran arbeiten, daß du das den Menschen beschiedene Glück erlangst. 58 Einen Mann von solcher Gesinnung nennen die Hebräer Tharah, die Griechen Sokrates; denn auch von ihm sagen sie, er sei alt geworden über der sorgfältigsten Erforschung der Bedeutung des Spruches: „Erkenne dich selbst“,[2] und er habe über nichts philosophiert außer über die Fragen, die ihn selbst angingen.[3] Doch das war nur ein Mensch, Tharah aber ist die Lehre von der Selbsterkenntnis an sich, die vor uns steht wie ein Baum in voller Blüte, auf daß es die Tugendliebenden leicht hätten, die Frucht der Sittenlehre zu brechen und sich an heilsamer und erquickendster Nahrung zu sättigen. 59 So sind für uns die, die nach Einsicht Ausschau halten; die aber um sie ringen und kämpfen, sind vollkommenere Naturen; denn sie halten es für recht, nachdem sie die ganze Lehre über die Sinne genau gelernt haben, zu einer anderen, größeren Lehre überzugehen, und verließen die Löcher der Sinnlichkeit, die Haran heißen. 60 Zu ihnen gehört Abraham, der zur Aufnahme des höchsten Wissens Fortschritte gemacht und sich vervollkommnet hat; denn als er am meisten erkannte, da sah er am meisten von sich selbst ab, damit er zu einer gründlichen Erkenntnis des in Wahrheit Seienden käme. Und es muß so sein: wer sich selbst ganz erkannte, sieht ganz von sich selbst ab, nachdem er klar die Nichtigkeit in allem [630 M.] Irdischen im voraus eingesehen hat; wer aber von sich abgesehen hat, der erkennt den Ewigen.

[11] 61 Was also Haran ist und warum der, der den Brunnen des Eides verläßt, dorthin kommt, ist hiermit erklärt. Als Drittes und Folgendes aber ist zu untersuchen, was unter dem Ort zu verstehen


  1. Homer, Od. IV 392.
  2. Vgl. Plato, Apologie 28 Εff.
  3. Vgl. § 212ff., Einzelges. I § 10. 263 und Über die Pflanzung Noahs § 80ff.; wo Philo die Worte des Sokrates: „Ich weiß, daß ich nichts weiß“, (Plato, Apol. 21 D), für seinen Zweck ausnutzt. Die ganze Forderung Philos entstammt der Philosophie Platos, der Phädo 83 Α der Philosophie die Aufgabe zuweist, die Seele dadurch zu erlösen, daß ihr gezeigt wird, die Erkenntnis durch Augen, Ohren und alle Sinne sei voller Betrug und sie habe sich von ihr zurückzuziehen und sich in sich selbst zu sammeln.
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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 185. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/23&oldid=- (Version vom 7.10.2018)