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Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler

dürftigen und armseligen Unbildung.[1] 214 Solange nämlich keiner der plötzlichen Zufälle, die (uns) unvorhergesehen heimzusuchen pflegen, Schaden anrichtet, scheinen die zum Genuß der Lust dienenden Künste freie Bahn zu haben, fahren jene aber aus dem Unsichtbaren (wie ein Blitz) hernieder, so werden diese vernichtet, und ihr Schöpfer geht mit ihnen zugrunde.

[32] 215 Die Träume derer, die die Werkstatt des Geschmacks in den beiden Arten der Nahrung unter sich geteilt haben, des Trankes und der Speise, nicht der notwendigen, sondern der überflüssigen und unmäßigen, sind nun erklärt; die Träume des Mannes aber, der über sie und über alle anderen Seelenkräfte zu herrschen scheint, mit Namen Pharao, sollen der Reihe nach sogleich durchgesprochen werden: 216 „In meinem Traume nämlich“, heißt es, „glaubte ich zu stehen an dem Ufer des Flusses; und wie aus dem Flusse stiegen sieben Kühe mit auserlesenem Fleisch und schön anzusehen, und sie weideten an dem Ufer.[2] Und siehe, sieben andere Kühe stiegen hinter ihnen aus dem Flusse, notleidend, häßlich anzusehen und mager an Fleisch, wie ich solche häßlicher in ganz Ägyptenland nicht gesehen habe. 217 Und es fraßen die mageren und häßlichen Kühe die ersten sieben Kühe, die schönen, auserlesenen, auf, und sie gingen in ihre Magen ein, und man merkte es nicht, daß sie in ihre Magen gekommen waren, und ihr Ansehen blieb häßlich wie zuvor. 218 Nachdem ich aber aufgewacht war, schlief ich wieder ein und sah wiederum in meinem Schlafe, und zwar daß sieben Ähren hervorwuchsen an einem einzigen Halme, voll und schön. Andere sieben Ähren aber mager und vom Winde zerzaust wuchsen neben ihnen hervor. Und es verschlangen die sieben (mageren und zerzausten) Ähren (die sieben) schönen und vollen Ähren“ (1 Mos. 41, 17–24).[3] 219 Du erkennst schon an der Einleitung den Selbstsüchtigen, der, obgleich er beweglich, umlenkbar und wandelbar an


  1. Philo denkt dabei an die im Bibeltext weiter unten stehenden Worte 1 Mos. 40, 19: „Und nach drei Tagen wird dir Pharao dein Haupt erheben und dich an den Galgen hängen, und die Vögel werden dein Fleisch von dir essen“, und 22: „Aber den Oberbäcker ließ er henken.“
  2. Statt ἐν τῷ ἄχει dürfte ἐν τῷ ὄχθῳ zu lesen sein, vgl. Über Joseph § 101, wo dieselbe Stelle in freier Paraphrase mit παρὰ ταῖς ὄχθαις νέμεσθαι wiedergegeben wird.
  3. Der hier gegebene Text ist nach der Septuaginta ergänzt und verbessert.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Träume (De somnis) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 262. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloSomnGermanAdler.djvu/100&oldid=- (Version vom 7.1.2019)