Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn | |
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mathematischen Wissenschaft beschäftigen, hoch geehrt; besonders aber wird sie von dem Tugendfreunde Moses ausgezeichnet, der ihre Schönheit auf den heiligen Tafeln des Gesetzes beschrieben und allen seinen Anhängern ins Herz gegraben hat, da er ihnen befahl, immer nach sechs Tagen den siebenten heilig zu halten, an ihm sich aller Arbeiten zur Aufsuchung und Herbeischaffung von Lebensbedürfnissen zu enthalten und sich einzig und allein dem ernsten Nachdenken zu widmen zur Verbesserung der Sitten und zur Prüfung der Stimme des Gewissens, die der Seele eingepflanzt ist und sich nicht scheut wie ein Richter zu strafen, bald durch heftigere Drohungen, bald durch sanftere Warnungen: durch Drohungen in den Fällen, wo einer mit Ueberlegung unrecht gehandelt zu haben scheint, durch Warnungen, wo einer wider Willen aus Unbedacht gesündigt hat, damit er sich niemals wieder so vergehe.
[44.] 129 Er schliesst aber den Weltschöpfungsbericht mit dem zusammenfassenden Satze: „Dieses ist das Buch der Schöpfung des Himmels und der Erde, als sie geschaffen wurden, an dem Tage, an dem Gott den Himmel und die Erde erschuf und alles Gras des Feldes, bevor es auf der Erde entstand, und alles Kraut des Feldes, bevor es gewachsen“ (1 Mos. 2,4.5). Führt er uns hier nicht deutlich die unkörperlichen und gedachten Ideen vor, die die Siegel für die sinnlich wahrnehmbare Wirklichkeit wurden[1]? Denn ehe die Erde grünte, sagt er, war eben dieses Grün in der Natur der Dinge vorhanden, und ehe Kraut auf dem Felde hervorkeimte, war Kraut vorhanden – d. h. unsichtbar[2]. 130 Man
Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/50&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
- ↑ d. h. alles, was wir mit den Sinnen wahrnehmen, verhält sich zu den Ideen wie die Siegelabdrücke zum Petschaft.
- ↑ Philo sieht in den Worten 1 Mos. 2,4.5 eine Rekapitulation des im 1. Kapitel erzählten Schöpfungswerkes und eine Bestätigung seiner Unterscheidung einer Idealwelt und einer körperlichen Welt. Der Grund liegt in der Uebersetzung der LXX, die das hebräische טרם, das hier soviel wie „noch nicht“ bedeutet, nach der gewöhnlichen Bedeutung irrtümlich mit πρὸ τοῦ (bevor) übersetzt. Aus den Worten „er schuf alles Gras und Kraut, bevor Gras und Kraut auf Erden war“ schliesst Philo, dass hier das ideale Gras und Kraut gemeint ist und damit die ganze Idealwelt.