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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

Der zweite Teil beginnt mit der Erklärung der Worte 2 Mos. 2,7, in denen nach Philos Ansicht die eigentliche Schöpfung des ersten Menschen ausgesprochen ist. Philo schildert in breiter Darlegung die körperlichen und geistigen Vorzüge, durch die der erste Mensch, weil er aus der Hand Gottes selbst hervorging, vor den späteren Geschlechtern ausgezeichnet war (§ 134–144). In abgeblasster Form haben sich die Merkmale der Eigenart des ersten Menschen auch auf seine Nachkommen vererbt (§ 145–147). Zu den Vorzügen des ersten Menschen gehört es auch, dass er als König der Schöpfung den andern Geschöpfen Namen geben durfte (§ 148–150). Es folgt die Erläuterung der biblischen Erzählung von dem Sündenfall des ersten Menschenpaares (§ 151–169). In diesem Abschnitt kommt neben der rein philosophischen Betrachtungsweise auch die Allegorie zur Geltung. Solange der erste Mensch allein war, glich er in seiner Einzigkeit Gott und der Welt, daher war er auch sündenfrei; mit dem Auftreten des Weibes aber tritt die Liebe in die Welt, diese erweckt die Wollust, die der Anfang und die Ursache aller Sünde und Ungerechtigkeit auf Erden ist. Zu dieser buchstäblichen Auffassung fügt Philo eine allegorische Erklärung hinzu: der Garten Eden ist die von mannigfaltigen Meinungen erfüllte menschliche Vernunft, der Baum des Lebens ist die Gottesfurcht, durch die die Seele unsterblich wird, der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen die Einsicht des Menschen; Adam ist der menschliche Geist, Eva die Sinnlichkeit, die Schlange die Wollust, und der Sündenfall bedeutet, dass die Lust mit Hilfe der Sinne den Geist zur Sünde verleitet. Am Schlusse fasst Philo den Inhalt des biblischen Schöpfungsberichts dahin zusammen, dass vornehmlich fünf sehr wichtige Grundlehren darin ausgesprochen seien: die Existenz Gottes, die Einzigkeit Gottes, die Erschaffung der Welt, die Einzigkeit der Welt, die göttliche Vorsehung.

Es verdient besonders hervorgehoben zu werden, dass zu keinem andern Philonischen Buche so viele Parallelen in Talmud und Midrasch vorhanden sind wie zu diesem. Dass einige Gedanken, die in ihnen enthalten sind, aus Philo in den Midrasch hineingekommen sind, ist nicht unwahrscheinlich. Vielleicht dürfen wir daraus den Schluss ziehen, dass diese Schrift Philos in rabbinischen Kreisen am meisten bekannt war. In einem späten Midrasch, dem sog. Midrasch Tadsche, sind einige Stellen unseres Buches direkt benutzt (A. Epstein in Revue des études juives XXI, 80ff).


Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 27. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/5&oldid=- (Version vom 11.5.2019)