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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

Feigheit, Ungerechtigkeit und die unzählige Menge anderer Laster die Seele bedrängen. 80 Denn jetzt, da alle die genannten Untugenden die Oberhand haben und die Menschen sich zügellos ihren Leidenschaften und masslosen und sündhaften Begierden, die man nicht einmal aussprechen darf, hingegeben haben, kommt gleich die gebührende Strafe für ihr gottloses Treiben; und die Strafe besteht in der Schwierigkeit der Beschaffung der notwendigen Lebensbedürfnisse; mit Mühe durchpflügen sie den Acker, leiten Kanäle aus Quellen und Flüssen, säen und pflanzen, leisten die schwere Ackermannsarbeit unablässig Tag und Nacht und ernten alljährlich ihren Bedarf an Nahrung, und diese zuweilen kärglich und nicht ausreichend, weil sie aus verschiedenen Ursachen beschädigt wurde: entweder haben rasch aufeinanderfolgende Regengüsse sie verwüstet oder häufig niederstürzender schwerer Hagel sie geknickt oder der Schnee sie zum Erfrieren gebracht oder die Gewalt der Stürme sie entwurzelt; denn Wasser und Luft führen oft unerwartet Missernte herbei. 81 Würden aber die masslosen Antriebe der Leidenschaften durch Masshalten gemildert, die eifrigen Bestrebungen, unrecht zu tun, durch Gerechtigkeit und, um es kurz zu sagen, die Untugenden und die ihnen entsprechenden unnützen Handlungen durch Tugenden und tugendhaftes Wirken, und würde so der Kampf in der Seele beigelegt, der unleugbar der mühseligste und schwerste aller Kämpfe ist, und zöge dafür der Frieden ein, der in stiller und sanfter Weise den rechten Gebrauch der in uns waltenden Kräfte ermöglicht, so wäre Hoffnung vorhanden, dass Gott als Freund der Tugend und des Schönen und auch des Menschen die von selbst gewachsenen Güter fertig zum Genuss dem Menschengeschlecht gewähren wird. Denn offenbar ist es doch leichter, reichlichen Ertrag aus dem Vorhandenen ohne Bodenbearbeitung zu spenden, als das Nichtexistierende erst ins Dasein zu rufen.

[27.] 82 Dies sei als zweiter Grund angeführt; ein dritter aber ist der folgende. Da Gott Anfang und Ende der Schöpfung wie nahe Verwandte und Freunde zusammenzubringen gedachte, schuf er zuerst den Himmel und zuletzt den Menschen, jenen als das vollkommenste der unvergänglichen Dinge in der

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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 56. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/34&oldid=- (Version vom 9.9.2019)