Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn | |
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zu, mit dem er die sinnfälligen Gegenstände unterscheiden soll: der Gesichtsinn erhielt die Farben, der Gehörsinn die Laute, der Geschmacksinn die Geschmacksunterschiede, der Geruchsinn die Düfte, der Tastsinn Weichheit und Härte, Wärme und Kälte, Glätte und Rauheit. 63 Allerlei Arten von Fischen und Seetieren, verschieden an Grösse und Beschaffenheit, lässt Gott also entstehen je nach der Oertlichkeit; denn in den Meeren leben bald diese bald jene Arten, manchmal auch dieselben; nur wurden nicht überall alle Arten gebildet, und dies mit Recht; denn manche Fischarten lieben ein seichtes und nicht sehr tiefes Wasser, andere dagegen tiefe Buchten und Häfen, da sie weder aufs Land kriechen noch in weiter Entfernung vom Lande schwimmen können; wieder andere leben in der Mitte und Tiefe des Meeres und vermeiden die Vorgebirge, Inseln und Klippen. Auch gedeihen manche mehr bei heiterem Wetter und Windstille, andere bei Seesturm und hohem Wellenschlag; denn an die beständigen Schläge gewöhnt, wehren sie den Anprall kräftig ab und werden so stärker und fetter. Gleichzeitig erschuf Gott auch die Arten der Vögel, die ja den Bewohnern des Wassers verwandt sind – denn beide sind gewissermassen Schwimmer[1] –, und keine Gattung der Luftwandler liess er unvollendet.
[21.] 64 Nachdem nun das Wasser und die Luft die für sie passenden Arten von Lebewesen gleichsam zum Eigentum erhalten hatten, rief Gott wiederum die Erde zur Hervorbringung des noch übrig gebliebenen Teiles – es waren aber nach den Pflanzen noch die Landtiere übrig – und sprach: „Es möge die Erde Vieh, Gewild und Kriechtiere jeder Art hervorbringen“ (1 Mos. 1,24). Sie aber brachte sogleich die verlangten (Lebewesen) hervor, die sowohl in ihrem Bau als auch hinsichtlich ihrer Kräfte und der ihnen innewohnenden schädlichen oder nützlichen Fähigkeiten sehr verschieden waren. 65 Ganz zuletzt aber schuf er den Menschen. Auf welche Weise, werde ich später sagen, nachdem ich vorher gezeigt, dass es
Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 48. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/26&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
- ↑ Der griechische Ausdruck für „schwimmen“ (νήχειν) wird bisweilen auch vom Flug der Vögel gebraucht. Vgl. das deutsche Wort „Luftschiffer“.