Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/19

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

Lebewesen, die alsbald geschaffen werden sollten. 43 Er befiehlt also der Erde, diese Dinge hervorzubringen; und sie bringt, wie wenn sie schon längst schwanger gewesen wäre, all die unzähligen Arten von Pflanzen, Bäumen und Früchten hervor. Aber nicht nur Nahrungsmittel für die Lebewesen waren die Früchte, sondern auch das Material für das immerwährende Entstehen der gleichen Arten, da sie die Samenstoffe enthielten, in denen unkenntlich und unsichtbar die Samenkräfte der Natur enthalten sind, die zu bestimmten Zeiten sichtbar werden und in die Erscheinung treten. 44 Denn indem Gott die Arten unsterblich machte und sie der Ewigkeit teilhaftig werden liess, wollte er, dass die Natur sich in einem Kreislauf bewege. Darum trieb und drängte er den Anfang zum Ende hin und liess das Ende wieder zum Anfang zurückkehren; denn aus den Pflanzen kommt die Frucht, wie aus dem Anfang das Ende, und aus der Frucht der Samenkern, der wiederum in sich die Pflanze enthält, wie aus dem Ende der Anfang entsteht.

[14.] 45 Am vierten Tage richtete Gott nach der Erde den Himmel ein und schmückte ihn, nicht als ob er diesen hinter der Erde zurücksetzen und dem geringeren Wesen den Vorrang geben wollte und das bessere und göttlichere nur der zweiten Stelle für würdig erachtete, sondern um klar und deutlich die Macht seiner Herrschaft (seine Allmacht) zu zeigen[1]. [10 M.] Denn er wusste im voraus, welcher Art die Ansichten der damals noch nicht geschaffenen Menschen sein würden: dass sie ihr Augenmerk auf das Wahrscheinliche und scheinbar Glaubliche, worin nur teilweise Vernünftiges steckt, und nicht auf die reine Wahrheit richten, dass sie mehr auf die Naturerscheinungen als auf Gott vertrauen, mehr die Scheinweisheit als die (wirkliche) Weisheit bewundern und aus der wiederholten Betrachtung der Umdrehungen von Sonne und Mond, durch die Sommer und Winter, Frühjahrs- und Herbstwende entstehen, den Schluss ziehen würden, dass alles, was

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 41. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/19&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
  1. Aus Philo übernommen ist der Gedanke, dass Gott die Pflanzenwelt eher als Sonne und Mond geschaffen, um seine Allmacht zu zeigen, im Midrasch Tadsche (A. Epstein, Revue des études juives XXI, 87).