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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn

planenden Baumeisters. 25 Das ist Moses' Meinung, nicht etwa die meinige; sagt er doch im folgenden bei der Beschreibung der Schöpfung des Menschen ausdrücklich, dass dieser nach dem Ebenbilde Gottes gebildet wurde (1 Mos. 1,27). Wenn aber schon der Teil[1] Abbild eines Bildes ist[2], also auch die ganze Gattung, diese ganze sinnlich wahrnehmbare Welt, da sie ja grösser ist als das menschliche Abbild, eine Nachahmung des göttlichen Bildes, so ist klar, dass das ursprüngliche Siegel (das Urbild), wie wir die gedachte Welt nennen, die Vernunft Gottes selbst ist.

[7.] 26 Er (Moses) sagt: „Im Anfang erschuf Gott den [6 M.] Himmel und die Erde.“ Darunter versteht er nicht, wie manche glauben, den Anfang hinsichtlich der Zeit; denn die Zeit existierte nicht vor der Welt, sie ist vielmehr entweder mit ihr oder nach ihr ins Dasein getreten. Denn da die Zeit das Intervall der Bewegung des Weltalls ist[3], Bewegung aber nicht früher als das Bewegte eintreten kann, sondern entweder später oder zugleich entstanden sein muss, so muss auch die Zeit entweder ebenso alt wie die Welt oder jünger als sie sein; der Versuch, sie als älter zu erweisen, wäre unphilosophisch[4]. 27 Wenn aber hier unter „Anfang“ nicht der zeitliche zu verstehen ist, so wird natürlich der Anfang der Zahl nach gemeint sein, so dass „im Anfang schuf“ dasselbe bedeutet wie „zuerst schuf“ er den Himmel. In der Tat ist es vernunftgemäss,

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Philon: Ueber die Weltschöpfung (De opificio mundi) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloOpifGermanCohn.djvu/13&oldid=- (Version vom 9.9.2019)
  1. d. h. der Mensch als Teil des Weltganzen.
  2. Unter dem Ebenbilde Gottes (εἰκὼν θεοῦ) versteht Philo die göttliche Vernunft, den Logos: dieser ist Abbild Gottes und Urbild aller Dinge. Nach Philo ist also der Mensch nicht unmittelbar ein Ebenbild Gottes, sondern ein Ebenbild des göttlichen Logos. Eine ähnliche Vorstellung findet sich im Midrasch. Schemot R. c. 30: „Adam ist geschaffen im Ebenbilde der Engel des Dienstes“, und c. 32 zu 2 Mos. 23,20: „Dem ersten Menschen habe ich ein Gebot gegeben, dass er es halte, und ich habe ihn gleich gemacht den Engeln des Dienstes, denn es heisst (1 Mos. 3,22): siehe, Adam ist wie unser einer“.
  3. Stoische Definition der Zeit.
  4. Die älteren griechischen Philosophen hatten angenommen, dass die Zeit älter sei als die Welt. Philo folgt Plato, der entsprechend seiner Annahme eines Weltanfangs behauptete, dass die Zeit erst mit der Welt entstanden sei.