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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt

passende und geziemende Verfassung durch ihre Gesetzgebung verliehen[1]. 50 Moses dagegen, der die zuerst erwähnte Art für tyrannisch und despotisch hielt (wie sie es auch wirklich ist), die ohne ermunternden Zuspruch befiehlt, als wären die Menschen nicht Freie, sondern Sklaven, die zweite Art zwar für geschickt, aber doch anscheinend nicht völlig tadellos für alle Beurteiler, befolgte einen nach beiden Richtungen von den erwähnten Arten abweichenden Plan. 51 In den Geboten und Verboten gibt er eher Ratschläge und Ermahnungen als Befehle, indem er es versucht, unter Anwendung von Einleitungs- und Schlussworten die meisten und dringendsten Gebote darzulegen, mehr um anzuleiten als um zu zwingen. Mit der Gründung eines Staatswesens durch Menschenhand seine Darstellung zu beginnen, erachtete er als der Würde der Gesetze zu wenig entsprechend, denn mit dem klar schauenden Blicke seines Geistes sah er es auf die Grösse und Schönheit der gesamten Aufgabe des Gesetzgebers ab, die seiner Ansicht nach zu edel und zu göttlich sei, um in dem Kreise der irdischen Dinge ihre Schranken zu finden. Daher leitete er sein Werk mit der Schöpfung des grossen Staatswesens (des Weltalls) ein in der Ueberzeugung, dass seine Gesetze das ähnlichste Abbild der Verfassung des Weltalls seien. 52 (10.) Wer das Wesen seiner Spezialgesetzgebung genau prüfen will, wird finden, dass sie die Harmonie des Alls anstreben und mit dem Gedanken der ewigen Natur übereinstimmen[2]. 53 Daher mussten nach seiner Darstellung die mit reichen Gaben, mit leiblicher Gesundheit, mit Reichtum, Ruhm und den anderen äusseren Glücksgütern Gesegneten, die aber die Zügel der Tugend abgeschüttelt und nicht unter einem Zwange, sondern aus freier Wahl Tücke, Ungerechtigkeit und andere Laster verübt haben, womit sie als vermeintlich grossen Nutzen den grössten Schaden stifteten, wie Feinde nicht der Menschen allein, sondern des gesamten Himmels und Weltalls nicht die gewöhnlichen Strafen erleiden, sondern ganz neue und ungewöhnliche,


  1. Wie z. B. Plato in seinen „Gesetzen“; vgl. Plat. Legg. IV p. 709 ff.
  2. Vgl. die ähnlichen Ausführungen in der Einleitung der Schrift „Ueber die Weltschöpfung“.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 309. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos2GermanBadt.djvu/012&oldid=- (Version vom 1.8.2018)