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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt

sich gegenüber erblickte, nicht weil er eines solchen Anblicks würdig gewesen wäre, sondern damit er seinen eigenen Unwert und sein Nichts erkenne, legte er sich auf Bitten und Flehen und bat um Verzeihung, denn er habe aus Unkenntnis und nicht aus Mutwillen gefehlt. 276 Während es nun richtig gewesen wäre jetzt umzukehren, fragte er noch die ihm sichtbar gewordene Erscheinung, ob er wieder heimwärts umlenken solle. Diese aber merkte seine Unaufrichtigkeit und zürnte ihm deshalb – denn was bedurfte es noch einer Frage über eine so klare Sache, die ihre Begründung in sich trug, ohne eines Beweises durch Reden noch zu bedürfen, wofern [p. 124 M.] nicht etwa die Ohren mehr als die Augen Wahrheit melden[1] und Worte mehr als Taten? – und sprach: „Geh nur des Weges, nach dem du so verlangst; es wird dir aber nichts nützen, denn ich werde, ohne dass du ein Bewusstsein davon hast, dir eingeben, was gesagt werden muss, und deine Sprachwerkzeuge so wenden, wie es recht und nützlich ist; ich werde deine Rede lenken und alles mit deiner Zunge künden, ohne dass du es merkst“. 275 (50.) Auf die Kunde, dass er bereits in der Nähe sei, zog der König mit seinen Trabanten ihm entgegen, und als sie einander begegneten, da gab es natürlich zuerst freundliche Begrüssung und Aufnahme, dann leisen Tadel ob seines Zauderns und seiner geringen Bereitwilligkeit zu kommen. Darauf fanden Bewirtungen statt, prächtige Gastmähler und alle anderen Veranstaltungen, wie sie zum Empfange von Fremden üblich sind, alles durch den Ehrgeiz des Königs zu Grossartigkeit und stolzer Pracht sich entfaltend. 276 Am andern Tage holte Balak mit Tagesanbruch den Seher ab und führte ihn auf einen Hügel, wo auch eine Säule eines Götzen errichtet war, die die Bewohner des Landes anzubeten pflegten. Ein Teil des Lagers der Hebräer war von hier oben sichtbar, und den zeigte er wie von einer Warte dem Zauberer. 277 Als dieser ihn erblickte, sprach er: „Errichte, o König, sieben Altäre


  1. Philo spielt hier auf den alten Satz an, den er De spec. leg. IV § 60 wörtlich zitiert, ὦτα ὀφθαλμῶν ἀπιστότερα (die Ohren sind unzuverlässiger als die Augen). Vgl. Herodot I 8. Heraklit bei Polyb. XII 27,1. R. v. Scala, Studien des Polybius I S. 88.
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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/069&oldid=- (Version vom 1.8.2018)