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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt

sondern die sonst von Gott verhängten Uebel, den Hunger und die Pest. 111 Ausserdem möge er noch folgende Lehre sich merken, die für das ganze Leben notwendig ist. Welche aber ist dies? Wenn Menschen Krieg führen, suchen sie zur Bundesgenossenschaft die tüchtigsten Hilfskräfte aus, um dadurch der eigenen Schwäche abzuhelfen. Gott aber, die oberste und grösste Macht, braucht nichts; will er aber einmal, so zu sagen, Werkzeuge für seine Strafen gebrauchen, so wählt er nicht die stärksten und grössten, um deren Stärke er sich nicht im geringsten kümmert, sondern verleiht den unbedeutenden und kleinen unüberwindliche und unwiderstehliche Kraft und bestraft durch sie die Frevler. So auch in diesem Falle. 112 Denn was ist unbedeutender als eine Mücke? Und doch war sie so stark, dass ganz Aegypten in Verzweiflung geriet und zu dem Ausruf gezwungen wurde: „das ist der Finger Gottes“ (2 Mos. 8,15); die Hand Gottes nämlich könne auch die gesamte bewohnte Erde von einem Ende bis zum andern, ja noch mehr, auch das ganze Weltall nicht ertragen[1].

113 (20.) Solcher Art waren die Strafen durch die Hand von Moses’ Bruder. Welche Strafen aber Moses selbst vollzog und aus welchen Teilen der Natur sie hervorgingen, das wollen wir jetzt unserer Aufgabe gemäss betrachten. Luft und Himmel, die reinsten Bestandteile des Weltenstoffes, übernehmen nun nach dem Wasser und nach der Erde die Aufgabe Aegypten zu warnen, und zum Vollstrecker dieser Strafen wurde Moses erkoren. 114 Zuerst begann er die Luft in Bewegung zu setzen. Aegypten nämlich ist neben den Ländern des südlichen Erdstrichs fast das einzige, das von den Jahreszeiten nur den Winter nicht kennt, vielleicht, wie man meint, weil es nicht weit von der heissen Zone entfernt ist, von welcher unmerklich ausströmend das feurige Element die ganze Umgebung erwärmt, vielleicht auch weil zur Zeit der Sommersonnenwende durch seinen Wasserreichtum


  1. Auch der Midrasch (z. B. in der Pessach-Haggada) nimmt den Unterschied von Finger und Hand Gottes zum Ausgangspunkt verschiedener Deutungen über die Grösse der verhängten Strafen, in Anlehnung an 2 Mos. 8,15.
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Philon: Ueber das Leben Mosis (De vita Mosis) übersetzt von Benno Badt. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 247. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloMos1GermanBadt.djvu/033&oldid=- (Version vom 1.8.2018)