Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/52

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

bei seiner Auflösung, wie es sich gebührt, zu heiliger Opferspende dem zurückgegeben wird, der ihn herabgehaucht und frei von jedem Übel bewahrt hat; [p. 499 M.] der gemischte Teil dagegen ist der der Sinne, für den die Natur geeignete Gefäße bereitet hat.[1] 185 Die Gefäße des Gesichtssinnes sind die Augen, die des Gehörs die Ohren, die Nase ist das des Geruches, und ebenso haben die anderen Sinne entsprechende Behälter. In diese Gefäße gießt der heilige Geist[2] von dem Blute; denn er will, daß unser vernunftloser (Seelen-)Teil beseelt und gewissermaßen vernünftig werde, dadurch, daß er zu bestimmter Zeit den Mahnungen Folge leistet und sich von den sinnlichen Dingen, die eine lockende, verführerische Macht ausüben, rein erhält. – 186 Ward nicht auch die heilige Doppeldrachme[3] derartig geteilt, daß wir die eine Hälfte von ihr, die Drachme, opfern, als Sühne für unsere Seele entrichten, die der allein wahrhaft freie und freimachende Gott auf unser Bitten und oftmals auch ungebeten von der rohen und bittern Herrschaft der Leidenschaften und Ungerechtigkeiten machtvoll erlöst,[4] den anderen Teil aber demjenigen Geschlecht überlassen, das unfrei und von sklavischer Gesinnung ist, zu welchem jener gehört, der sagt: „Ich liebe meinen Herrn“ – den herrschenden Geist in mir, „und meine Frau“ – die Sinnlichkeit, die Geliebte und die Pflegerin meiner Leidenschaften, „und die Kinder – die bösen Folgen derselben,[5] „ich mag nicht frei ausgehen“ (2 Mos. 21,5)? 187 Denn auch diesem Geschlecht muß ein kläglicher,[6] Unheil abwendender[7] Anteil von der Doppeldrachme gegeben werden im Gegensatz zu der gottgeweihten Drachme und Einheit; Einheit aber

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 265. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/52&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
  1. Vgl. weiterhin § 232 „Gefäße“ κρατῆρες sagt Philo statt „Organe“, um sich des Bibelwortes zu bedienen.
  2. Mangey übersetzt: Sacra scriptura iubet infundi. Aber ὁ ἱερὸς λόγος ist hier wohl nicht, wie sonst, die h. Schrift, sondern der kurz vorher § 184 erwähnte „ganz lautere Geist“, der als ἡγεμονικόν sich bewähren, den andern Seelenteil beherrschen und leiten soll. Vgl. oben § 54ff. und Über die Nachkommen Kains § 126 [Λόγος ist der Hohepriester; vgl. § 182 und die Belege bei Siegfried, Philo 228. I. H.].
  3. Der Schekel (2 Mos. 30, 13).
  4. Vgl. oben § 60 u. weiter § 273.
  5. Derselben, nämlich des Geistes und der Sinnlichkeit.
  6. κλῆρον ἄκληρον eig. ein Anteil, der kein rechter Anteil ist.
  7. Im Texte ἀποπομπαῖον, dasselbe Wort, das oben § 179 für Asasel steht und mit „Absender“ übersetzt ist. Die Deutung ist hier auch fast dieselbe. In der Bibel steht nichts über die Verwendung der andern Hälfte, die doch auch eine „Einheit“, eine Drachme, ist!