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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

[27] 133 Da die Erörterung über die Zerlegung in gleiche Teile und über Gegensätze wichtig und notwendig ist, so werden wir sie weder übergehen noch zu weit ausdehnen, sondern uns möglichst kurz fassen und uns nur mit den Hauptpunkten begnügen. Gleichwie [p. 492 M.] nämlich der Künstler[1] unsere Seele und Gliedmaßen[2] mitten durch geteilt hat, so machte er es auch mit der Substanz des Ganzen, als er die Welt erschuf. 134 Er fing an, sie folgendermaßen zu teilen. Zuerst machte er zwei Stücke, das Schwere und das Leichte, indem er das Grobe von dem Feinen schied. Hierauf teilte er wieder jedes von beiden, das Feine in Luft und Feuer und das Grobe in Wasser und Erde, die er auch als sinnlich wahrnehmbare Elemente der sinnlich wahrnehmbaren Welt, gleichsam als Grundsteine, niederlegte. 135 Wiederum teilte er das Schwere und das Leichte auf andere Art: das Leichte in Kaltes und Warmes – er nannte das Kalte Luft und das von Natur Warme Feuer – und das Schwere in Nasses und Trockenes und nannte das Trockene Erde und das Nasse Wasser. 136 Jedes von diesen erhielt noch andere Teilungen; die Erde wurde in Festlande und Inseln geteilt, das Wasser in Meer und Flüsse und alles Trinkbare, die Luft in die Wandlungen des Sommers und des Winters, das Feuer in das zum Gebrauch notwendige – es ist dieses unersättlich und verzehrend – und im Gegensatz dazu in das heilsame, das zur Bildung des Himmels bestimmt wurde.[3] 137 Gleichwie aber die ganzen [Elemente], so teilte er auch die einzelnen Dinge, die teils unbeseelt, teils beseelt waren. Zu den unbeseelten gehören einerseits diejenigen, die in demselben Zustand verharren und deren Band der (bloße) Zusammenhalt ist, andererseits diejenigen, die nicht durch Ortsveränderung sondern durch Wachstum sich bewegen[4]

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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 254. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/41&oldid=- (Version vom 4.8.2020)
  1. Gemeint ist der „Schöpfer“; für Schöpfer, Schöpfung, erschaffen (aus nichts) hat die griechische Sprache keinen Ausdruck.
  2. S. § 151 und Quaest. in Gen. ΙII § 5.
  3. Die Lehre von dem doppelten Feuer wird auf Zeno, den Begründer der Stoa, zurückgeführt. Er nannte das eine τὸ τεχνικόν, das schöpferische, Wachstum fördernde und erhaltende (αὐξητικὸν καὶ τηρητικόν), wie es in den Pflanzen und Lebewesen wirkt und deren Seele und Natur bildet, und das auch die Substanz von Sonne, Mond und Sternen ist. Das andere, das in sich (d. h. wieder in Feuer) die (ihm gereichte) Nahrung umwandelt, nannte er ἄτεχνον, das nicht schöpferische. Vgl. St. V. Fr. I 120, Diels, Dox. 467, Cicero De nat. deor. II 41. Bemerkenswert ist, daß Philo nicht im geringsten den biblischen Schöpfungsbericht heranzieht.
  4. Bewegung ist (nach Aristoteles) in sehr weitem, jede Veränderung einschließendem Sinne verstanden.