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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

gerichteten Worte: „Du wirst zu deinen Vätern eingehen“ weist er zurück; es sei undenkbar, daß ihm die Wiedervereinigung seiner Seele mit denen seiner Eltern und Verwandten, von denen er sich auf göttlichen Befehl habe trennen müssen, verheißen werden konnte. Mithin müssen „Väter“, zu denen die Seele zurückkehrt, andere Erzeuger sein, und zwar sind es erstens nach der (von ihm sonst bekämpften) Ansicht der Chaldäer Sonne, Mond und Sterne, denn sie sind die Urheber und Erzeuger alles dessen, was auf Erden ist und geschieht, – zweitens nach der idealistisch-platonischen Theorie die Urideen, die als wirkende Ursachen anzusehen sind, – drittens nach der materialistisch-stoischen die vier Urkräfte oder Elemente, aus denen die Welt entstanden ist, und viertens nach der aristotelischen das fünfte (oder dem Range nach erste) Element, der Äther, aus dem der Himmel mit allen Sphären besteht und von dem auch die Seele (oder wenigstens der tätige Geist νοῦς ποιητικός) ein Teilchen ist. Allem Anschein nach teilt Philo die letzte Ansicht, daß die Seelen der Verstorbenen sich zum Äther aufschwingen; auch in der Schrift Über die Geburt Abels usw. § 5 erklärt er mit Bezug auf ויאסף אל עמיו‎ (1 Mos. 25, 8), daß Abraham, „als er das Irdische verließ, dem Volke Gottes zugestellt wurde und, den Engeln gleich geworden, Unsterblichkeit genießt“; die Engel aber – das Volk Gottes – weilen „hoch oben am Äther“ (Über die Pflanzung Noahs § 14). Auffallend ist jedoch, daß Philo, nachdem er einmal aus dem Plural „Väter“ einen Singular gemacht hat, nicht auf den Gedanken kommt, für Äther Gott zu setzen in Übereinstimmung mit seinen eignen Worten in §§ 56 und 184. Denn die Ansicht, daß die Seele ein Teilchen des Äthers ist, teilt Philo wohl nicht, s. die Anm. zu § 283.

Inhaltsübersicht.

Einleitung. Beim Empfang der göttlichen Lohnverheißung 1 Mos. 15, 1 spricht und fragt Abraham; eigentlich hätte er sprachlos vor Freude, schweigend den Inhalt der ihm zuteil gewordenen Offenbarung überdenken sollen (§§ 2–4), aber als treuer Diener durfte er freimütig reden (§§ 5–9). Das Gebot: „Schweige und höre“ (5 Mos. 27, 9) gilt nur für Unwissende; Moses als treuer Diener und Freund Gottes darf es sogar wagen, sich überlaut zu äußern und ihm Vorwürfe zu machen (§§ 10–21). Ebenso Abraham, der Freimütigkeit mit Ehrfurcht und tiefster Demut verbindet (§§ 22-30).

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 216. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/3&oldid=- (Version vom 26.1.2021)