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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

heißt: „Öffnen möge[1] dir der Herr seine Schatzkammer, den Himmel“ (5 Mos. 28, 12), aus dem der Weltenlenker unaufhörlich die vollkommensten Freuden regnen läßt. „Blicke empor“ – zur Beschämung des blinden Geschlechts der gewöhnlichen Menschen, das zu sehen glaubt, aber verblendet ist. 77 Denn wie ist es nicht verblendet, da es doch Böses statt des Guten, Häßliches statt des Schönen, Ungerechtes statt des Gerechten, die Trübungen der Seele statt der Hochgefühle,[2] Vergängliches statt des Unvergänglichen sich erwählt, Warner und Ermahner, Tadel und Belehrung flieht, dagegen Schmeichler und die Worte, die sie ihm zu Gefallen sprechen und zu Trägheit, Torheit und Schwelgerei verleiten, wohlgefällig annimmt! 78 Nur der Weise sieht, weshalb auch die Alten die Propheten „Seher“ nannten (1 Sam. 9, 9). Der „Hinausgegangene“ aber wird nicht nur sehend, sondern Gott sehend[3] genannt, Israel [d. i. Gott sehend]. Wenn dagegen jene einmal [p. 484 M.] die Augen öffnen, so richten sie sie abwärts zur Erde, da sie dem Irdischen nachgehen und mit den Bewohnern des Hades[4] zusammenleben. 79 Dieser aber hebt seine Blicke zum Äther und zu den Himmelskreisen empor, ist aber auch gewohnt, auf das Manna,[5] die göttliche Vernunft, die himmlische, unvergängliche Nahrung der schaulustigen Seele, zu blicken; jene dagegen sehen auf die Zwiebeln, den Knoblauch, die den Augen Schmerzen und Schaden zufügen und sie sich zu schließen nötigen, und auf andere übelriechende Nahrungsmittel von Lauch und toten Fischen, die in Ägypten zuhause sind. 80 „Wir gedachten“, sagen sie, „der Fische, die wir in Ägypten umsonst gegessen haben, und der Kürbisse, der Melonen, des Schnittlauchs, der Zwiebeln und des Knoblauchs; nun aber ist unsere Seele vertrocknet, nur auf das Manna (schauen) unsere Augen“ (4 Mos. 11, 5. 6). [16] 81 Auf unsere Erziehung zielt auch das Folgende hin: „Hinaus führte er ihn nach außen,“

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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 241. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/28&oldid=- (Version vom 2.4.2020)
  1. Die Sept. sieht in den 3 Zeitwörtern ונתנך־ולברך־יפתח‎ nicht Verheißungen sondern Segenswünsche. Vgl. Über d. Unveränderl. Gs. § 156 εὔχεται Μωυσῆς.
  2. Den vier Hauptaffekten (s. weiter § 269) stellen die Stoiker drei gute Seelenstimmungen (εὐπάθειαι, constantiae) gegenüber: das vernünftige Wollen, die vernünftige Freude und die Vorsicht. Vgl. v. Arnim StVFr. III S. 105ff.
  3. S. Über Abraham S. 108 Anm. 2.
  4. Wohl eher neutral „sich an das Niedere, Unterirdische gewöhnt haben“; gegen Mangey, der ὕλῃ oder ὕλαις schreiben will; vgl. § 45. I. H.
  5. S. weiter § 191 und Alleg. Erkl. III, 175. Ferner vgl. Zur Lehre vom Logos bei Philo von L. Cohn (in der Festschrift Cohen) S. 327.