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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn

und noch sinnliche Genüsse erstrebt, der Erbe der unkörperlichen und göttlichen Dinge werden kann. 64 Deren wird nur gewürdigt der von oben eingehauchte, eines himmlischen und göttlichen Anteils teilhaftige ganz lautere Geist, der nicht nur des Körpers nicht achtet, sondern auch des andern Seelenteils, der ja vernunftlos und mit Blut zusammengeknetet ist und siedende Leidenschaften, feurige Begierden entflammt.[1] 65 Er fragt mithin folgendermaßen: Nachdem „du mir nicht jenen“ geistigen, sich selbst belehrenden,[2] gottähnlichen „Sprößling gegeben hast, soll nun etwa mein Hausgeborner mich beerben“, der Sohn des blutdurchtränkten Lebens? 66 In diesem Augenblick kam Gott eiligst dem Redenden zuvor, indem er ihm sozusagen die Antwort auf die Frage vor ihrem Abschluß gab. Denn so heißt es: „Sogleich[3] erging an ihn die Stimme Gottes mit den Worten: Nicht dieser wird dich beerben“ (1 Mos. 15, 4), (d. h.) keiner von denen, die sinnlich aufzuzeigen sind; denn Erben geistiger Dinge sind unkörperliche Wesen. 67 Man beachte aber wohl, das hier nicht steht: er „sprach“ oder „redete“, sondern „die Stimme Gottes erging an ihn“, gleichsam als hätte er kräftig [auf ihn] eingeschrien, laut hineinschallen lassen, damit die Stimme in die ganze Seele eindringe, keinen Teil leer, ohne richtige Unterweisung lasse, sondern alle (Teile) mit heilsamer Lehre erfüllt seien. [14] 68 Wer wird also Erbe werden? Nicht der Geist, der freiwillig im Verschluß des Körpers bleibt, sondern der von dessen Banden gelöste und befreite, der aus den Mauern hinausgegangen ist und, wenn man so sagen darf, sich selbst verlassen hat. Denn so sagt er: „Der aus dir herausgehen wird, dieser wird dich beerben[4] (1 Mos. 15, 4). 69 Wenn also, ο Seele,

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Philon: Der Erbe des Göttlichen (Quis rerum divinarum heres sit) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 238. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloHerGermanCohn.djvu/25&oldid=- (Version vom 2.4.2020)
  1. Während die § 55 verwertete Scheidung zwischen Lebenskraft und Denkseele an Aristoteles anknüpft, hat Philo hier die platonische Dreiteilung (νοῦς, θυμός und ἐπιθυμητικόν) im Auge; sie wurde auch von Panätius und Posidonius grundsätzlich anerkannt, doch ist die Scheidung bei Philo schroffer. Die Verquickung dieser Theorien miteinander (§ 65!) und mit der Lehre von der Blutseele ist für Philos unkritsche Art bezeichnend. I. H.
  2. Mit αὐτοδίδακτος und αὐτομαθής wird von Philo stets Isaak charakterisiert, s. z. B. Über Joseph § 1.
  3. Die Sept. hat καὶ εὐθύς. Ähnlich wie Philo erklärt auch Nachmanides das Wort והנה‎.
  4. In diesen Bibelvers sieht Philo einen Hinweis auf die prophetische Ekstase (s. weiter unten § 249 und 258), die nach ihm die höchste Erkenntnis vermittelt. Da der Ekstatiker sich nicht nur von den Fesseln des Körpers losgelöst glaubt, sondern sich auch seiner Sinnes- und Denktätigkeit entäußert, so muß Philo diese beiden Erkenntnisquellen als trüglich erklären, WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt insbesondere die von der Stoa hochgeschätzten „Kriterien“ der Wahrheit verwerfen. Solche Anleihen bei der Skepsis zur Empfehlung der reinen Intuition sind bei ihm nicht selten.