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Philon: Über die Riesen (De Gigantibus) übersetzt von Hans Leisegang

viele Ziele des Lebens gesetzt haben, „der göttliche Geist nicht“, wenn er sich auch für kurze Zeit aufhielt, bei der einzigen Art von Menschen aber stellt er sich ein, die sich aller irdischen Dinge und der äußersten Decke und Hülle der Meinung entkleidet hat und im Geiste entblößt und nackt zu Gott kommt. 54 So schlug auch Moses außerhalb der Umzäunung und des ganzen körperlichen Heeres sein Zelt auf (2 Mos. 33, 7), d. h. er errichtet die unbewegliche Ansicht und beginnt, Gott anzubeten, und geht in die Finsternis, den unsichtbaren Raum hinein und bleibt daselbst die heiligsten Mysterien feiernd.[1] Ist er doch nicht nur Myste, sondern auch Hierophant der heiligen Handlungen und Lehrer der göttlichen Dinge, die er denen, die reine Ohren haben, auslegen wird. 55 Bei diesem also bleibt immer der göttliche Geist ihn führend auf jedem rechten Wege, von den andern wird er, wie ich sagte, sehr schnell getrennt, deren Lebenszeit er auch in der Zahl von 120 Jahren erfüllt sein läßt; denn er sagt: „Es werden sein ihre Jahre hundertundzwanzig“ (1 Mos. 6, 3). 56 Doch auch Moses scheidet, als er die gleiche Zahl von Jahren erreicht hatte, aus dem sterblichen Leben (5 Mos. 34, 7). Wie ist es nun glaubhaft, daß die Sündigen gleichaltrig mit dem Allweisen und Propheten sind? Vorläufig nun wird es genügen, folgendes zu sagen: daß Gleichnamiges nicht immer wesensgleich, vielmehr oft völlig verschieden ist, und daß auch das Schlechte die gleichen Zahlen und Zeiten haben kann wie das Gute, da ja auch beides zusammen eingeführt wird, aber getrennte und weit voneinander geschiedene Kräfte. 57 Die genaue Erläuterung der 120 Jahre aber will ich auf die Erörterung des gesamten prophetischen Lebens verschieben,[2] wenn ich geeignet bin, darin eingeweiht zu werden; jetzt aber will ich das Folgende besprechen.

[13] 58 „Die Riesen aber waren auf der Erde in jenen Tagen“ (1 Mos. 6, 4). Vielleicht glaubt einer, daß der Gesetzgeber auf die von den Dichtern über die Riesen erzählten Fabeln anspiele, obgleich er sich aufs weiteste vom Märchenerzählen fern hält und es für richtig erachtet, den Spuren der Wahrheit selbst zu folgen.[3] 59 Deshalb schloß er die gefälligen Zierkünste, die Tier- und Menschenbildnereien


  1. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 14 und § 178, Über die Geburt Abels, Anmerkungen zu §§ 60–62 u. 94.
  2. In seinen Büchern über das Leben Mosis erwähnt Philo von der Bedeutung der 120 Jahre nichts.
  3. Philo greift die Dichter als μυθοποιοί häufig an; vgl. Über die Nachkommen Kains § 2 Anm.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Riesen (De Gigantibus) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 69. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloGigGermanLeisegang.djvu/17&oldid=- (Version vom 14.9.2022)