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Philon: Über die Riesen (De Gigantibus) übersetzt von Hans Leisegang

Schlechten, die sich den Namen von Engeln beigelegt haben, welche die Töchter der rechten Vernunft, Wissenschaften und Tugenden, nicht kennen, den irdischen Nachkommen irdischer Menschen aber, den Lüsten, nachgehen, die keinerlei echte Schönheit, welche allein durch den Verstand geschaut wird, mit sich bringen, sondern nur unechte Wohlgestalt, durch welche die sinnliche Wahrnehmung getäuscht wird. 18 Es nehmen aber nicht alle sämtliche Töchter, sondern (nur) einzelne einige aus den vielen, die sie sich auswählten, die einen die durch den Gesichtssinn hervorgerufenen Lüste, die andern die durch das Gehör, wieder andere die durch Geschmack und Magen, einige auch die Geschlechtsgenüsse, viele aber auch bemächtigten sich der am entferntesten liegenden, indem sie die Begierden in sich am weitesten ausdehnten.[1] Denn mannigfaltig sind notwendig die Neigungen zu mannigfaltigen Lüsten. Andere sind anderen vertraut.

[5] 19 In solchen nun ist es unmöglich, daß der Odem Gottes verbleibe und ewig wohne, wie es der Gesetzgeber auch selbst erklärt. „Es sprach“, sagt er nämlich, „Gott der Herr: Nicht wird verbleiben mein Odem in den Menschen in Ewigkeit, weil sie Fleisch sind“ (1 Mos. 6, 3). 20 Er bleibt wohl eine Zeitlang, aber er verbleibt nicht auf immer bei den meisten von uns. Denn wer wäre so vernunft- oder seelenlos, daß er niemals die Vorstellung des Besten freiwillig oder unfreiwillig faßte? Fliegt doch oft selbst die Verruchtesten plötzlich die Vorstellung des Guten an, sie zu erfassen[2] aber und bei sich zu bewahren, vermögen sie nicht. 21 Denn sie weicht sofort und wandert aus, indem sie sich abwendet von den hinzukommenden gesetzes- und rechtsfeindlichen Bewohnern, zu denen sie gar nicht gekommen wäre, außer um die zu bekehren, die anstatt des Guten das Schlechte erwählt haben. 22 Es heißt aber Gottes Odem nach einer Auffassung die über der Erde hinfließende Luft, das dritte Element, das über dem Wasser daherfährt – weshalb er (Moses) in der Weltschöpfung sagt: „Gottes Odem wurde dahingetragen über dem Wasser“ (1 Mos. 1, 2); denn die Luft, die leicht ist, erhebt sich und wird nach oben getragen, wobei sie das Wasser als Basis benutzt –, nach anderer Auffassung aber die lautere Erkenntnis, an der jeder Weise nach Gebühr Teil hat.[3] 23 Er erweist es aber


  1. Nach Wendland: πρὸς μήκιστον τὰς ἐν, … (vgl. Rh. Mus. 1897, 466f.).
  2. Συλλαβεῖν ist verstärktes λαβεῖν, wie καταμένειν verstärktes μένειν.
  3. Über diese Stelle und das Folgende habe ich „Der Heilige Geist“ I 22 ff. ausführlich gehandelt. Von § 24 an geben wir Πνεῦμα gelegentlich mit Geist, statt mit Odem, wieder.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Riesen (De Gigantibus) übersetzt von Hans Leisegang. H. & M. Marcus, Breslau 1923, Seite 62. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloGigGermanLeisegang.djvu/10&oldid=- (Version vom 14.9.2022)