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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

Vergängliche deshalb für glänzend[1] zu halten, weil er in Nacht und tiefer Finsternis gegenüber dem Wissen um die unvergänglichen Dinge befangen ist. Deswegen bewillkommt er sogleich die Trunkenheit, die Anführerin der Lust, und deren Diener mit offenen Armen. [51] 210 Drei Schirmherren und zugleich Diener der unmäßigen und zügellosen Seele gibt es: den Oberbäcker, den Obermundschenk und den Oberküchenmeister, deren der bewundernswerte Moses mit folgenden Worten gedenkt: „Und Pharao zürnte auf seine beiden Eunuchen, auf den Obermundschenk und den Oberbäcker‚ und er setzte sie in Gewahrsam zum Obergefängniswächter“ (1 Mos. 40, 2. 3). Aber auch der Oberkoch ist ein Eunuch; denn es heißt an einer anderen Stelle: „Josef war hinabgebracht worden nach Ägypten und es erwarb ihn ein Eunuch des Pharao, der Oberkoch“ (1 Mos. 39, 1); und wieder (an anderer Stelle): „Sie verkauften den Josef einem Verschnittenen des Pharao, dem Oberkoche“.[2] (1 Mos. 37, 36.). 211 Weshalb versieht nun weder ein Mann noch ein Weib irgendeines der erwähnten Ämter? Doch wohl nur deshalb, weil die Männer zum Säen des Samens, die Frauen zu seiner Empfängnis von der Natur gebildet sind; – ihre körperliche Vereinigung ist die Ursache des Entstehens eines Geschöpfes und des Bestandes des Alls;[3] – während es einer zeugungsunfähigen und unfruchtbaren, vielmehr einer entmannten Seele eigen ist, sich an kostspieligen Speisen und Getränken und übertriebenen Zubereitungen des Desserts zu freuen, ohne die Kraft, die wahrhaft männlichen Samen der Tugend[4] auszusäen oder die gesäeten zu empfangen und zu ernähren, und da zu sein wie ein unergiebiges und steinichtes Ackerland bloß zum Verderben dessen, was immer leben sollte. 212 Damit nun wird die gemeinnützige Ansicht aufgestellt, jeder Schöpfer der Lust sei unfruchtbar an Weisheit,[5] weil er eben


  1. Der Ausdruck λαμπρά setzt die Vorstellung des φῶς fort (§ 208 s. Anm.).
  2. Im M T: Oberster der Leibwächter, in der LXX ἀρχιμάγειρος vgl. Ü. Joseph § 27 Anm.
  3. Für Philo ist die Erhaltung des Alls sinnlos ohne die Erhaltung des Menschengeschlechtes; dessen Fortpflanzung ist aber an die Vereinigung von Mann und Frau gebunden (vgl. Ü. d. Nachstell. § 102). Philos Ansichten über den ethischen und sozialen Zweck der Ehe zusammengestellt bei P. Wendland, Philo u. d. kyn.-stoische Diatribe, S. 34f. u. 37. – Aber auch das Individuum erhält durch die Kinder und die Folge der Geschlechter Anteil an der Unsterblichkeit, Ü. d. Träume II § 184.
  4. Vgl. Ü. d. Träume II § 184.
  5. Der Freund der Lust ist unfruchtbar jeglicher Tugend. (Ü. Joseph § 153).
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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/072&oldid=- (Version vom 21.5.2018)