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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

(Führer), welche mit Waffen sich Länder und Meere unterjocht, sondern die mit den Kräften ihrer Seele deren verschlagenen, durcheinandergemischten und zusammengelaufenen Pöbel niedergekämpft haben. [30] 114 Ihre Lehrlinge und Schüler sind die, welche da sagen: „Deine Diener haben die Summe der Kriegsmänner, die mit uns waren, aufgenommen, und nicht ein Mann von ihnen wird vermißt; wir bringen als Opfergabe dem Herrn jeder, was er gefunden“ (4 Mos. 31, 49. 50). 115 Denn auch diese scheinen ja wiederum ein Siegeslied anzustimmen, da sie nach vollkommenen und führerhaften Kräften streben[1] – behaupten sie ja doch, sie hätten die summenbildende und höchste Zahl der tapferkeitsgemäßen Vernunftgründe aufgenommen –;[2] sie selbst haben von der Natur die Bestimmung, gegen zwei Ziele als Kämpfer auf dem Posten zu stehen, gegen das eine, zu dem die schwer heilbare Feigheit, gegen das andere, zu dem kampfwütige Tollkühnheit führt; beide aber sind der guten Einsicht unteilhaftig.[3] 116 Wunderschön ist der Ausdruck, (die Zahl) „stimme“ und niemand fehle zur Teilnahme an der vollständigen und vollkommenen Tapferkeit; denn so wie die Leier und jedes Musikinstrument schlecht gestimmt ist, wenn auch nur ein einziger Ton mißtönt, gut gestimmt dagegen, wann mit einem Anschlag alle (Töne) zusammenklingen und die gleiche Harmonie ergeben, in derselben Weise ist auch das Seeleninstrument unstimmig, wenn es durch Kühnheit mit heftiger Gewalt zum höchsten Ton gespannt wird oder durch Feigheit über die Maßen lose zum tiefsten (Ton) gelockert wird, und nur dann im Einklang, wann die Saiten der Tapferkeit und jeglicher Tugend alle wohltemperiert ein einziges harmonisches Lied erzeugen. 117 Für den Zusammenklang und die Harmonie liegt ein gewichtiger Beweis darin, daß sie Gott das Geschenk darbringen, d. h. das Seiende durch das klare Bekenntnis


  1. Während die Weisen, die § 113 Könige und Führer genannt sind, das ethische Ideal in seiner Vollkommenheit darstellen, sind ihre Lehrlinge und Schüler nur Strebende (προκόπτοντες) in stoischem Sinne; sie streben erst nach dem Zustande, den jene schon erreicht haben.
  2. λαμβάνειν hat in dem Bibelverse die militärtechnische Bedeutung der Zählung einer Truppe; hier jedoch etwa sowohl: aufnehmen, sich aneignen, wie: erlangen, erreichen.
  3. Hierbei denkt Philo an die Lehre des Aristoteles von der richtigen Mitte, d. i. von der Vermeidung jedes Über- und Untermaßes‚ in der sich die Tugend der praktischen Vernunft betätigt.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/047&oldid=- (Version vom 21.5.2018)