Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler | |
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Seuche, Hungersnot oder Pest oder sonst ein schlimmes Verhängnis Gottes durch Gebete und Opfer sich vom Hals zu halten suchen;[1] denn ein großes Unglück sind sie für jeden, der mit ihnen zu tun hat. Deshalb besingt auch Moses ihren Untergang; denn sie werden von ihrer eigenen Bundesgenossenschaft gefangen genommen und von ihren eigenen Wahngedanken wie von einer Brandung verschlungen (2 Mos. 14, 27. 28). [20] 80 Anschließend daran wollen wir nun über ihre Feinde sprechen, d. i. über diejenigen, welche Zucht und rechte Vernunft hochschätzen, deren in der Tugend freilich bloß halbvollkommene Gefolgsmannen [369 M.] die Anhänger nur eines Elternteiles waren.[2] Sie nun sind vortreffliche Hüter der Gesetze, die der Vater, die rechte Vernunft, gegeben, und verläßliche Bewahrer der Sitten, die ihre Mutter, die Zucht, eingeführt hat.[3] 81 Vom Vater, der rechten Vernunft, empfingen sie die Lehre, den Vater des Alls zu ehren, von der Mutter, der Zucht, das positive und bei allen konventionell geltende Recht nicht gering zu achten. 82 Als daher Jakob, der Strebende und Kämpfer in den Kämpfen um die Tugend, seine Ohren gegen Augen, Reden gegen Taten, den Fortschritt gegen die Vollkommenheit eintauschen sollte, da ihm der gebefreudige Gott ein Auge in seine Seele einsetzen wollte, damit er das klar erschaue, was er vorher bloß mit dem Gehöre aufgenommen hatte,[4] – ist doch der Gesichtssinn
- ↑ Philos Wortspiel ἀνατρέποντες – ἀποτρέπεσθαι bleibt dabei unübersetzt; ebenso die Reimfigur διέποντες – ἀνατρέποντες und das Klangspiel λιμὸν ἤ λοιμόν.
- ↑ Die überlieferte Lesart habe ich, ohne Annahme der Textänderungen Wendlands, zu erklären versucht, Wien. Stud. XLIV S. 223.
- ↑ Dieser Standpunkt findet den vollen Beifall Philos, vgl. oben § 35. Die Wahrung der Tradition erscheint ihm nicht unvereinbar mit der philosophisch verklärten Mystik seines Gottesglaubens. Bréhiers Bemerkung: „il n’a pas pensé un moment que les observances légales soient un obstacle à la religion universelle“, (a. a. O. S. 66) gilt für den folgenden Abschnitt § 80–92, allerdings mit der Einschränkung, daß Philo oft – meist unter exegetischem Zwang – der altkynischen Gegnerschaft gegen jedes Staatsgesetz und seine Beobachtung folgt. Auch § 77 Anf. sind die Worte μητρὸς ἥκιστα φροντίζοντες als Lob zu fassen.
- ↑ Den drei Formen der Tugend, die auf Askese, Unterricht und Naturanlage zurückgehen, legt Philo einen ungleichen Wert bei. Den Asketen Jakob stellt er dem Fortschreitenden gleich. An unserer Stelle ist aber Jakob nicht mehr bloß der Asket, sondern hat bereits den zweiten Grad erreicht, er hat gelernt und rezeptiven Unterricht genossen, für den das Gehör charakteristisch ist. Die nächste Stufe ist daher die von Gott geschenkte Vollkommenheit, für die der Gesichtssinn die Voraussetzung bildet; aus Jakob WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt wird Israel, der Gott Schauende. – Mit dem „Auge der Seele“ allein, von dem schon Plato (Sympos. 219A, Rep. VII 519B) spricht und das für Philo weit mehr als ein bildlicher Ausdruck für die geistige Denkkraft (φρόνησις) ist, kann man Gott erschauen; und das bedeutet die höchste Glückseligkeit. Ü. Abrah. § 57.
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/034&oldid=- (Version vom 8.6.2018)