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Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler

„der da“, wie Moses sagt, „in die Backstube eintritt“, das heißt: in das Menschenleben, in dem ein Übermaß von ungerechten Taten für immer unauslöschlich brennt und flammt;[1] der da ferner die Kraft aufbringt, „dem Weibe die Gebärmutter“ aufzuschneiden,[2] weil es (das Weib) die Ursache der Zeugung zu sein glaubte,[3] obwohl es doch in Wahrheit dabei mehr leidet als tut, und ebenso jedem „Menschen“ und Verstande, der dieser irrigen Ansicht folgt, die das Wirken Gottes, der alleinigen Ursache alles Werdens, den dem Leiden unterworfenen Wesen zuschreibt[4] (4 Mos. 25, 7. 8). [18] 74 Würde nicht auch dieser bei vielen Leuten für einen Menschenmörder gelten und nach der [368 M.] Gewohnheit der Weiber schuldig gesprochen werden?[5] Aber freilich, bei Gott, dem Allherrscher und Vater, wird er tausendfachen Beifalls und Lobes und unentwindbarer Kampfpreise gewürdigt werden; diese Kampfpreise sind prächtig und brüderlich vereint: Friede und Priesterwürde[6] (4 Mos. 25, 12. 13). 75 Denn es ist eine ebenso große und glänzende Leistung, den Feldzug, der in dem von den meisten Menschen geschäftig betriebenen Leben so schwer zu bewältigen ist, und den Bürgerkrieg der Begierden in der Seele beendigen zu können und dann den Frieden zu sichern, als es bewundernswert und ein würdiges


  1. Während im MT von einem Gemache gesprochen wird, veranlaßt den Philo die Übersetzung der LXX κάμινος, dies Wort etymologisch mit καίειν brennen zusammenzubringen.
  2. Die LXX bietet statt des philonischen ἀνατεμεῖν das Zeitwort ἀπεκέντησεν; da der Schriftsteller Ü. d. Nachk. Kains 182 κατεκέντει, Alleg. Erkl. III 242 ἐκκεντῆσαι gebraucht, so ist höchst wahrscheinlich, daß er in der ihm vorliegenden Bibel ebenfalls ein Kompositum von κεντεῖν gelesen hat und daß entgegen der Interpunktion Wendlands an unserer Stelle das Bibelzitat das Wort ἀνατεμεῖν nicht mehr mit inbegreift.
  3. Deutlicher als in dieser gedrängten Kürze erklärt Philo den Zweck dieser Handlung des Phinees Alleg. Erkl. III 242.
  4. Die Prinzipien der Stoiker, das ποιοῦν (das Tätige) und πάσχον (das Leidende) teilt Philo, seinem Dualismus entsprechend strenger als sie, so auf, daß er die Tätigkeit Gott allein, das Leiden allem Erschaffenen zuschreibt. Etwas anderes als Gott kann nur scheinbar Ursache sein, und wer außer ihm eine andere Ursache annimmt, begeht in Philos Augen die schwerste Sünde.
  5. Gegen Wendlands Änderung des Textes habe ich die handschriftliche Überlieferung: τοῖς πρὸς γυναικῶν ἔθεσιν ἁλισκόμενος zu verteidigen gesucht, Wiener Studien XLIV S. 222f.
  6. Sie sind brüderlich vereint, nicht nur aus den § 76 angegebenen Gründen‚ sondern wohl auch deshalb, weil der Schriftsteller zwischen den Worten εἰρήνη und ἱερωσύνη eine etymologische Verwandtschaft annahm. Vgl. Ü. d. Nachk. Kains 183.
Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über die Trunkenheit (De ebrietate) übersetzt von Maximilian Adler. H. & M. Marcus, Breslau 1929, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloEbrGermanAdler.djvu/032&oldid=- (Version vom 8.6.2018)