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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy

Unfrömmigkeit und werden wegen ihrer Gottlosigkeit vom Herold ausgerufen und bekränzt. Denn da ihnen die Gaben des Glückes glatt zufließen, halten sie sich selber nach Art einer verfälschten Münze für versilberte und vergoldete Götter[1] und vergessen den wahren und wahrhaft seienden Gott. 160 Das bezeugt auch Moses mit den Worten: „Er wurde fett, dick und breit und verließ Gott, der ihn geschaffen hatte“ (5 Mos. 32, 15).[2] Wie demnach die fortschreitende Zügellosigkeit den Frevelmut, das größte aller Übel, zur Welt bringt, so gebiert umgekehrt die gesetzliche Züchtigung die lobenswerte Zurechtweisung, das vollkommene Gut. 161 Davon ging auch Moses aus, als er das Symbol des ersten Festes, das ungesäuerte Brot, „Brot der Drangsal“ nannte (5 Mos. 16, 3). Doch wer wüßte nicht, daß Feste und Opfermahlzeiten Heiterkeit, Freude und Frohsinn, nicht Drangsal verursachen? Offensichtlich gebraucht er (Moses) hier aber das Wort als Bezeichnung für die Mühsal, den Zuchtmeister.[3] 162 Denn die meisten und höchsten Tugendgüter pflegen durch asketische Übungen und kraftvolle Mühen errungen zu werden. Ein Fest der Seele[4] ist aber das Streben nach dem Besten und die von Erfolg gekrönte Mühe. Darum wird auch befohlen, das ungesäuerte Brot „mit Bitterkraut zu essen“ (2 Mos. 12, 8), nicht als Zukost, sondern weil die meisten es zu den Unannehmlichkeiten rechnen, nicht in Begierden anzuschwellen und aufzulodern, sondern sich bescheiden und mäßigen zu müssen; denn sie halten es für bitter, aller [543 M.] Leidenschaft abzusagen, was doch für eine kampfliebende Denkseele eine Freude und ein Fest bedeutet. [29] 163 Aus diesem Grunde wurden, wie ich glaube, die Gesetze an einem Ort verkündet, der „Bitterkeit“ hieß. Denn es ist süß und angenehm, Unrecht zu tun, aber beschwerlich, gerecht zu handeln. Das aber ist das untrüglichste Gesetz. Es heißt nämlich: Als sie die ägyptischen Leidenschaften[5] verlassen hatten, „kamen sie nach Merra und konnten das Wasser von Merra nicht trinken; denn es war bitter. Darum wurde der Name jenes

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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloCongrGermanLewy.djvu/045&oldid=- (Version vom 10.12.2016)
  1. Vgl. 2 Mos. 20, 23: „Ihr sollt euch keine silbernen und goldenen Götter machen.“
  2. Vgl. Über die Nachkommen Kains § 121.
  3. Die Worte γυμνάζειν, ἄσκησις usw. bezeichnen sowohl das körperliche Training wie die geistige Tugendübung (‘Askese’).
  4. Vgl. die analoge Deutung des ‘Fasttages’ (Νηστεία, gemeint ist der Versöhnungstag) in der Schrift Über die Einzelgesetze II § 193ff.
  5. S. o. § 83 Anm. 5.