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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy

das Land der Getöteten seinen Nachkommen geben werde (1 Mos. 15, 18–20). Immer hält er die Zehnzahl sowohl beim Lob wie beim Tadel, bei der Ehrung wie bei der Bestrafung der Verwendung für würdig. 120 Doch wozu daran erinnern, da ja Moses die heilige und göttliche Gesetzgebung in insgesamt zehn Worten aufschrieb! Diese sind die Satzungen, die allgemeinen Grundsätze für die unzähligen Einzelgesetze,[1] Wurzel, Ursprung und ewig strömender Quell der Anordnungen, die die Befehle und Verbote zum Nutzen derer, die sie befolgen, umfassen.

[22] 121 Mit Recht beginnt nun der Verkehr (des Abraham) mit der Hagar erst zehn Jahre nach seiner Ankunft im Lande Kanaan.[2] Denn wir[3] können, obwohl wir als denkende Wesen geschaffen sind, nicht sogleich nach der allgemeinen Bildung streben, solange der Verstand sich nicht gefestigt hat. Erst wenn wir unsere Einsicht und unseren Scharfsinn gestärkt haben, besitzen wir eine sichere und feste, keine leichtfertige und oberflächliche Ansicht über alle Dinge. 122 Darum folgen unmittelbar darauf [537 M.] die Worte: „Er ging zur Hagar hinein“ (1 Mos. 16, 4)[4]. Denn es ziemt sich für den Schüler, zur Wissenschaft als zu seiner Lehrerin zu gehen, damit er dort in den Gegenständen, die der menschlichen Natur angemessen sind, unterrichtet werde. An unserer Stelle wird der Schüler eingeführt, wie er in die Schule geht. Oft aber eilt die Wissenschaft, indem sie jeden Neid aus ihrem Herzen verbannt,[5] dem Begabten entgegen und zieht ihn zu sich heran. 123 Die Tugend, Leah,[6] kann man wenigstens sehen, wie sie dem Asketen (Jakob) entgegenzieht und zu ihm spricht: „Du wirst zu mir morgen kommen“ (1 Mos. 30, 16). Damals kehrte jener vom Felde zurück. Denn wohin sollte der Pfleger der Samen und Früchte der Wissenschaft gehen, wenn nicht zum Acker der Tugend?

[23] 124 Bisweilen aber liebt es (die Wissenschaft) ihre Schüler auf die Probe zu stellen, wie weit es mit ihrer Bereitwilligkeit und ihrem

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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloCongrGermanLewy.djvu/035&oldid=- (Version vom 10.12.2016)
  1. Vgl. den Titel der beiden aufeinanderfolgenden Schriften Philos: περὶ τῶν δέκα λόγων, οἳ κεφάλαια νόμων εἰσίν und: περὶ τῶν ἐν μέρει διαταγμάτων.
  2. § 121 schließt an § 89 an. Vgl. die Disposition.
  3. Vgl. o. § 6 Anm. 7.
  4. Εἰσέρχεσθαι ist nicht so gebräuchlich vom Verkehr mit einer Frau wie בוא אל‎.
  5. Über das Motiv von der (jüdischen) Weisheit, die ihre Lehre „ohne Neid“ (ἀφθόνως) verschenkt, s. o. § 13 und meine: Sobria ebrietas S. 12f.
  6. Leah ist hier wie schon § 27 Symbol der sich abmühenden Tugend, vgl. Über Abrahams Wanderung § 99.