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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy

Edlen und seine Erhabenheit begriffen hat. Dieser nimmt auch ohne Flehen sofort alle in Gnaden auf, die sich erniedrigen und demütigen und nicht in Prahlereien und eitlem Wähnen aufblähen. 108 Dies bedeutet der Schuldennachlaß (3 Mos. 25, 9ff.), dies die völlige Befreiung der Seele, die sich von ihren früheren Irrwegen lossagt, bei der nie irrenden Natur ansiedelt und zu den Besitztümern1 zurückkehrt, die sie besaß, als sie noch herrlich [535 M.] lebte und die mühevollen Kämpfe um das Gute kämpfte. Denn damals bewunderte sie der heilige Logos wegen ihrer Kämpfe und ehrte sie, indem er sie mit einer auserwählten Gabe und unsterblichem Besitz beschenkte: der Zuordnung zum Geschlecht der Unvergänglichen. 109 Dasselbe erfleht auch der weise Abraham, als dem Wortlaut nach das Land von Sodom, in Wirklichkeit aber die für das Gute unfruchtbare und an Verstand blinde Seele in Brand gesteckt werden sollte: er bat nämlich darum, ihr Verzeihung zu gewähren, falls in ihr das Erinnerungszeichen der Gerechtigkeit, die Zehnzahl, gefunden werde (1 Mos. 18, 32). Dabei leitet er seine Bitte mit der Zahl des Schuldennachlasses,[1] der Fünfzig, ein und hört mit der Zehnzahl, der letzten Summe für die Loskaufung, auf. [20] 110 Aus diesem Grunde hat, wie mir scheint, auch Moses nach der Wahl der Führer über die Tausend–, Hundert– und Fünfzigerschaften noch solche über die Zehnerschaften wählen lassen (2 Mos. 18, 25), damit die Vernunft, falls sie nicht durch die höheren Ordnungen gebessert werden könnte, wenigstens durch die untersten gereinigt würde. 111 Eine schöne Belehrung erhält auch der Sklave des Wissenschaftsliebenden[2] auf jener bewunderungswürdigen Gesandtschaft, die er unternahm, um dem selbstgebildeten Weisen[3] die ihm eigentümliche Tugend, die Beständigkeit,[4] zu freien. Denn „er nimmt zehn Kamele mit sich“ (1 Mos. 24, 10), d. h. die Erinnerung[5] an die durch die Zehnzahl dargestellte rechte Erziehung, von den

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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloCongrGermanLewy.djvu/032&oldid=- (Version vom 10.12.2016)
  1. Über den alle 50 Jahre angeordneten Schuldennachlaß vgl. auch Über die Einzelgesetze II § 110ff. Wie die biblische Gesetzesformel im ganzen wird auch das Wort κλῆρος (‘Besitztum’) hier allegorisch erklärt.
  2. Gemeint ist Elieser, der Sklave des ‘Τugendschülers’ (s. o. § 35 Anm. 4) Abraham.
  3. Isaak, s. o. § 35 Anm. 4.
  4. Rebekka (s. o. § 37 Anm. 4).
  5. [Das Kamel als Wiederkäuer gilt Philo als Symbol der μνήμη Ü. d. Nachkommensch. Kains § 148 Anm. 2; von den zahlreichen Kamelen, μνῆμαι Abrahams, nimmt Elieser gerade nur zehn. M. A.]