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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy

nicht fähig zu empfangen und zu gebären,[1] sondern sowie die Ursache, die ihre Lust erregte, [529 M.] zur Ruhe kommt, erlischt auch ihre Teilnahme. 67 Eine dritte Gruppe bilden die, denen zwar die Rede in den Ohren nachklingt, die sich aber statt als Philosophen als Sophisten erweisen. Deren Rede ist zwar zu loben, dagegen ist ihr Leben zu tadeln. Denn sie sind zwar fähig über das Beste zu reden, aber unfähig es zu tun. 68 Selten nur kann man jemanden finden, der aufmerkt und sich zugleich auch später an das Gehörte erinnert und das Handeln dem Reden vorzieht, was dem Lernbegierigen (Abraham) durch die Worte: „Er gehorchte der Stimme der Sara“ bezeugt wird; denn er wird nicht als „hörend“, sondern als „gehorchend“ eingeführt. Das ist aber die treffendste Bezeichnung für eine innerliche Zustimmung und einen echten Gehorsam. 69 Nicht ohne Absicht wird hinzugesetzt, er habe „der Rede der Sara“, und nicht, er habe „der redenden Sara“,[2] gehorcht. Denn der Lernende pflegt auf die Stimme und die Worte (seines Lehrers) zu hören, da er durch diese beiden belehrt wird. Wer aber das Gute durch praktische Übung (Askese) und nicht durch Unterricht[3] erwirbt, hält sich nicht an das Gesprochene, sondern an den Sprechenden, indem er dessen Leben in seinen untadligen Handlungen im einzelnen nachahmt. 70 Denn es heißt von Jakob, als er ausgesandt wurde, um seine Verwandte[4] zu heiraten: „Es hörte Jakob auf seinen Vater und seine Mutter und brach nach Mesopotamien auf“ (1 Mos. 28, 7). Er hörte also nicht auf die Stimme oder die Worte – denn der Asket soll die Lebensart nachahmen und nicht auf Worte hören, da dies dem Lernenden, jenes dem sich (zur Tugend) Durchringenden eigentümlich ist –, damit wir auch hier den Unterschied zwischen dem Lernenden und dem Asketen erkennen; denn der eine richtet sich nach dem Redenden, der andere nach seinen Worten.[5]

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung willen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 22. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloCongrGermanLewy.djvu/022&oldid=- (Version vom 10.12.2016)
  1. S. o. zu § 37 Anm. 5.
  2. Griechisch: Τῆς φωνῆς, ἀλλὰ μὴ τῆς φωνούσης Σάρρας ὑπακοῦσαι. S. u. Anm. 5.
  3. Über den Unterschied zwischen dem durch Abraham symbolisierten Typus des Lernenden und dem durch Jakob repräsentierten Typus des Asketen s. o. § 35 Anm. 4 und: Über die Nachkommen Kains § 154 Anm. 1.
  4. Gemeint sind Leah und Rahel, deren Vater Laban ein Sohn Nachors, des Bruders des Abraham, war.
  5. Philo benutzt die beiden gedanklich übereinstimmenden und nur in der Ausdrucksweise abweichenden Bibelstellen (1 Mos. 16, 2: ἤκουσε τῆς φωνῆς ... und 28, 7: ἤκουσε… τοῦ πατρὸς καὶ τῆς μητρός ...), um WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt den Unterschied zwischen der Lebensart des Asketen und des Weisheitsschülers (s. § 69 Anm. 3) zu demonstrieren. Vgl. § 69 Anm. 2 und über den Unterschied zwischen Abraham und Jakob die Anm. zu § 35.