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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung wegen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy

Erfindung von Scheinargumenten, die durch treffende Wahrscheinlichkeit faszinieren; die Dienerin der andern dagegen ist die notwendige Nahrung, Trank und Speise. 30 Als Namen dieser beiden Dienerinnen sind uns Zelpha und Bilha überliefert (1 Mos. 30, 3. 9). Zelpha bedeutet in Übersetzung „aussprechender Mund“, denn sie ist ein Symbol der Fähigkeit sich auszudrücken und auseinanderzusetzen.[1] Bilha bedeutet dagegen „Hinunterschlucken“,[2] die wichtigste und notwendigste Grundlage für alle sterblichen Lebewesen; denn unser Körper ist im Schlunde verankert, und die Taue des Lebens sind an ihm wie an einem Sockel befestigt[3]. 31 Mit allen diesen oben genannten Fähigkeiten pflegt nun der Asket[4] Umgang, und zwar mit den einen wie mit freien und edelbürtigen Frauen, mit den anderen dagegen wie mit Sklavinnen und Kebsweibern. Er strebt nämlich einerseits nach der Bewegung der Leah[5] – sanfte Bewegungen bewirken im Körper Gesundheit und in der Seele ethische Vollkommenheit und Gerechtigkeit –, andererseits liebt er Rachel, da er gegen seine Affekte ankämpft, sich zur Enthaltsamkeit rüstet und allen Erscheinungen der Sinnenwelt sich entgegenstellt. 32 Denn es gibt zwei Arten der Nutznießung:[6] entweder man genießt die Güter wie im Frieden[7] oder man widersteht dem Übel wie im Kampf[8]

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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung wegen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloCongrGermanLewy.djvu/012&oldid=- (Version vom 28.11.2016)
  1. Zelpha (abgeleitet זָלַף‎ von und פֶּה‎) = στόμα ἐκπορευόμενον (wörtlich ‘heraustretender Mund’) im Sinne von LXX 5 Mos. 8, 3: ῥῆμα ἐκπορευόμενον διὰ στόματος (an diese Stelle knüpft Philo seine Logosspekulation, s. u. § 33. 170f.). Ἐκπορευόμενον wird hier (§ 30) synonym mit διεξοδικόν gebraucht (vgl. die Phrase διεξέρχεσθαι διὰ λόγων) und steht im Sinne von πορεύεσθαι διὰ λόγων, ‘durchgehend behandeln’.
  2. בלהה‎, abgeleitet von בלע‎. Zur Allegorese vgl. Alleg. Erkl. II § 96 Anm. und III § 146.
  3. Philo verwendet hier (nb. recht ungeschickt) den in der griechischen Moralphilosophie und Dichtung verbreiteten Vergleich des Lebens mit einer stürmischen Seefahrt.
  4. Jakob ist der Mensch, der (den Leidenschaften) ein Bein stellt (יעקב‎ von עקב‎ „Ferse“), also in gutem Sinne πτερνιστής (zu All. Erkl. I 61), daher allgemeiner der „Kämpfer“ um die Tugend und insofern sehr oft ἀσκητής – ein Wort, das noch nicht den Beiklang der „Ertötung des Fleisches“ hat: Heinemann, Philons Bildung 543.
  5. Zum Wortspiel mit dem Namen der Leah vgl. o. Anm. 2 zu § 25.
  6. Jakob ist als Herr seiner beiden Kebsweiber auch Nutznießer ihrer Tugenden.
  7. Das bezieht sich auf die εἰρηνικὴ κίνησις der Leah, s. o. § 25 Anm. 2.
  8. Gemeint ist Rahel, s. o. § 25 Anm. 3.