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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung wegen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy

man über die Weisheit ihrer (der Tugend) Züchtigkeit staunen, die uns nicht Trägheit oder völlige Unfähigkeit zum Zeugen vorwerfen mochte, obwohl das Gotteswort wahrheitsgemäß sagt: „Sie konnte nicht gebären“ (1 Mos. 16, 1): und zwar nicht aus Mißgunst, sondern wegen unserer eigenen Unfähigkeit. Denn die Schrift sagt: „Gott verschloß mich, daß ich nicht gebären kann“, aber sie fügt nicht „für euch“ (sc. gebären kann) hinzu, um nicht den Anschein zu erwecken, als werfe sie anderen den Mißerfolg vor und schmähe sie deshalb. 14 „Gehe“,[1] heißt es weiter, „zu meiner Sklavin“, d. h. der Bildung in den sog. mittleren enkyklischen Wissenschaften,[2] damit du vorher[3] von ihr Kinder zeugst. Dadurch wirst du später einmal Nutzen aus dem Verkehr mit der Herrin zum Zweck der Erzeugung edelbürtiger Kinder ziehen können. 15 Denn die Grammatik erklärt die Darstellungen der Dichter und Prosaschriftsteller, verschafft dadurch Einsicht und reiche Kenntnisse und lehrt auf Grund der Übeltaten, die von den dort besungenen Heroen und Halbgöttern berichtet werden, auch die Verachtung alles dessen, was die eitlen Gedanken vorgaukeln.[4] 16 Die Musik, die das Unrhythmische durch Rhythmen, das Unharmonische durch Harmonien, das Mißtönende und Unmelodische durch Melodien[5] beschwört, führt auch das Uneinige zum Einklang. Die Geometrie legt in die lernbegierige Seele den Samen der Erkenntnis des Gleichmaßes und des richtigen Verhältnisses und bewirkt durch eine in beständigem Studium erworbene Gewandtheit den Eifer für die Gerechtigkeit. 17 Die Rhetorik schärft den Verstand für eine wissenschaftliche Erkenntnis, übt und schult seine Rede in der Fähigkeit des Ausdruckes und macht so den Menschen zu einem wahrhaft denkenden Wesen, indem sie seine spezifische

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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung wegen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 08. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloCongrGermanLewy.djvu/008&oldid=- (Version vom 20.11.2016)
  1. Oben (§ 9) hatte Philo das Fehlen des Objekts („so daß ich nicht gebären kann“) damit erklärt, daß Sarah, die Tugend, nicht „jemand bestimmten“ gebären könne. Hier erklärt er es als absichtliche Auslassung: Sarah, die Tugend, habe die Zeugungsunfähigkeit ihres Schülers aus Schamhaftigkeit mit Schweigen übergangen.
  2. S. o. § 10 (S. 7 Anm. 2).
  3. Dieses „Vorerst“ wird von Philo in die biblische Rede eingeschoben, um Sarah von dem Verdacht der Unfruchtbarkeit zu reinigen (s. Anm. 1) und ihr den pädagogischen Plan einer geistigen Ausbildung des Abraham unterzulegen. Vgl. quaest. in Gen. III § 20.
  4. Über die ethische Wirkung des Studiums der Poesie und Geschichte vgl. Über die Geburt Abels § 78 und: Über Abraham § 23.
  5. Vgl. Über die Landwirtschaft § 137.