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Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung wegen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy


Zustimmung der Ehefrauen), so wenig trugen sie einen sittlichen Charakter; daher bereitet diese Beziehung eines vorbildlichen Menschen zu seiner Sklavin Philo starke apologetische Schwierigkeiten, zumal nach ihm jeder Geschlechtsverkehr nur durch die Absicht, echtbürtige Kinder zu zeugen, seine Legitimation erhält (Heinemann, Philons Bildung 262ff. auch zum vorhergehenden).

Verwandtes gilt natürlich auch von den im Exkurs § 24ff. herangezogenen Beziehungen eines Jakob und Manasse zu Nebenfrauen.

Überdies hat aber Philo auch das Bedürfnis, dem Streit Sarahs mit Hagar sein Peinliches (§ 180!) zu nehmen.

Die ganze Schrift steht also im Dienste der Apologetik. Aber Philo weiß die Verteidigung des Judentums formal an die Methode der Homererklärer (zu § 10 Ende) anzuknüpfen, inhaltlich an die Darlegungen der Überlegenheit der Philosophie über die Enkyklia (zu § 150), die gerade in Alexandreia, wo Mathematik und Philologie weit stärker blühten als Philosophie, gewiß von besonderem Interesse waren. I. H.]




[I 519 M.] [1] 1 „Sara, die Frau des Abraham, gebar ihm keine Kinder. Sie hatte aber eine ägyptische Magd, die Hagar hieß. Da sprach Sara zu Abraham: Siehe, Gott hat mich verschlossen, so daß ich nicht gebären kann; gehe zu meiner Sklavin, auf daß du von ihr Kinder zeugest.“ (1 Mos. 16, 1f.)

2 Der Name Sara bedeutet in griechischer Übertragung „meine Obrigkeit“.[1] Die Vernunft in mir und die Sittlichkeit in mir, die individuelle Gerechtigkeit[2] und alle anderen Tugenden, die für mich allein bestehen, sind meine alleinige Obrigkeit. Denn da sie von königlicher Abkunft ist, beaufsichtigt und lenkt sie mich, der ich ihr zu gehorchen beschlossen habe. Diese (Sara, die Tugend) erklärt Moses – welch ungeheurer Widerspruch! – 3 sowohl für unfruchtbar wie für sehr fruchtbar, da er ja zugibt, daß das menschenreichste aller Völker[3] von ihr stammt. Denn wirklich ist die Tugend

Empfohlene Zitierweise:
Philon: Über das Zusammenleben um der Allgemeinbildung wegen (De congressu eruditionis gratia) übersetzt von Hans Lewy. H. & M. Marcus, Breslau 1938, Seite 04. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloCongrGermanLewy.djvu/004&oldid=- (Version vom 20.11.2016)
  1. Zur allegorischen Deutung des Namens שָׂרַי‎ (von שָׂרָה‎, herrschen) vgl. Über Abraham § 99f.
  2. [Nicht an die spezielle Tugend der Gerechtigkeit im Gegensatz zur allgemeinen ἀρετή denkt hier Philo, sondern ἐπὶ μέρους variiert nur den Ausdruck ἐν ἐμοί M. A.]
  3. Gemeint ist das jüdische Volk, dessen Menschenreichtum auch sonst (s. Philo, Über die Einzelgesetze I § 7, vgl. auch Hekataios von Abdera bei Diodor XL Frg. 3 § 9) gerühmt wird. Philo denkt hier besonders an 2 Mos. 1, 7. 9, da er im Folgenden deutlich auf v. 19 anspielt.