Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn | |
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Aeltere“ ist nicht in der Länge der Zeiten, sondern in einem lobenswerten und vollkommenen Leben begründet. Solche nun, die ein langes Leben nur mit dem Körper hinbringen, ohne Streben nach dem Schönen und Guten, muss man langlebige Kinder nennen, da sie niemals des grauen Haares würdige Kenntnisse sich angeeignet haben; wer dagegen Einsicht und Weisheit und Gottvertrauen liebt, kann mit Recht „ein Aelterer“ genannt werden, ebenso wie „der Erste“. 272 Denn der Weise ist in Wahrheit der Erste des Menschengeschlechts, wie der Steuermann auf dem Schiffe (der erste ist), der Herrscher im Staate, der Feldherr im Kriege, wie auch die Seele im Körper und die Vernunft in der Seele und wie der Himmel in der Welt und Gott im Himmel. 273 Und da Gott an dem Manne das Vertrauen zu ihm bewunderte, gab er ihm das Vertrauen zurück durch die eidliche Bekräftigung der Gnadenbeweise, die er ihm verheissen hatte, indem er, nicht nur wie sonst mit einem Menschen, sondern wie ein Freund mit dem Freunde sich mit ihm unterhielt; denn er sagt: „bei mir habe ich geschworen“ (1 Mos. 22,16); bei Gott ist zwar das Wort ein Eid, (aber er schwor,) damit die Seele unerschütterlich und fest, noch mehr als früher, vertraue. 274 Der „Aeltere“ und „Erste“ ist also und soll genannt werden der Weise, der „Jüngere“ und „Letzte“ dagegen jeder Unverständige, der nach Neuerungen strebt und nach Dingen, die als die letzten anzusehen sind. Soviel darüber. 275 Zu der Menge und Grösse der Lobsprüche über [40 M.] den Weisen setzt Moses gleichsam als krönendes Ende hinzu, dass dieser Mann das göttliche Gesetz und alle göttlichen Gebote beobachtet hat (1 Mos. 26,5), nicht durch Schriften belehrt, sondern ohne Schrift von der Natur, weil er sich eifrig bemühte, ihren gesunden und lebensfrischen Anregungen zu folgen. Was aber die Verheissungen Gottes betrifft, (so frage ich): was geziemt sich anders für die Menschen, als unerschütterliches Vertrauen in sie zu setzen? 276 Solcher Art ist das Leben des ersten Stammvaters unseres Volkes gewesen, ein gesetzestreues, wie manche sagen werden, wie aber meine Darstellung gezeigt hat, war es selbst Gesetz und ungeschriebene göttliche Satzung.
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/62&oldid=- (Version vom 11.5.2019)