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Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn

Noah bezeichnen nach seiner Erklärung die Vorstufen zur Erlangung der Tugend, in deren vollkommenen Besitz die drei Erzväter gelangt sind: Enos als Vertreter der Hoffnung, Enoch als Vertreter der Reue, Noah als der in seinem Zeitalter gerechte Mann. Im Gegensatz zu dieser niederen Stufenreihe stellen die drei Erzväter die höhere Stufe der Tugend und Erkenntnis dar (§ 48–59). Nach dieser Einleitung wendet sich Philo nunmehr zu Abraham selbst und schildert zuerst sein frommes Verhalten gegen Gott. Dies zeigt sich vor allem in der gehorsamen Befolgung des göttlichen Befehls, die Heimat und das Vaterhaus zu verlassen (§ 60–67). Allegorisch aufgefasst bedeutet diese Auswanderung die Erhebung der Seele über den chaldäischen Zustand der Beobachtung und Verehrung der Gestirne hinaus zur Erkenntnis des wahren Gottes als des Lenkers der Welt und aller ihrer Teile (§ 68–88). Zum Lohne für seinen frommen Gehorsam erhält Abraham ein göttliches Gnadengeschenk, indem Gott die Keuschheit seines Weibes gegen die Anfechtungen des Königs von Aegypten schützte und so die Reinheit seiner Ehe bewahrte (§ 89–98). Philo erläutert diese biblische Erzählung durch eine allegorische Erklärung, die er, wie er sagt, von allegorisierenden Forschern gehört hat (§ 99–106): Abraham symbolisiert die weise Vernunft in der Seele des Menschen, Sara die Tugend, beide verbinden sich mit einander, nicht zu einer körperlichen, sondern zu einer geistigen Ehe, in welcher die Tugend das gebende und die Vernunft das empfangende Element ist; der König von Aegypten ist das Sinnbild der niederen sinnlichen Vernunft, die zwar die Tugend ehren, aber ihre Lehren nicht befolgen will, und die deshalb von Gott verworfen und gestraft wird. Dem ungastlichen Benehmen der Aegypter stellt Philo dann das Verhalten Abrahams gegenüber, der die drei Wanderer, die an seinem Hause vorübergehen, dringend auffordert, bei ihm einzukehren, und sie gastlich bewirtet (§ 107–118). Die drei Männer werden dann gedeutet als die Erscheinungen Gottes und seiner beiden höchsten Kräfte, der schöpferischen oder wohltätigen und der königlichen oder strafenden (§ 119–132). Dass es sich bei dieser dreifachen Erscheinung in Wahrheit nur um eine handelte (die Erscheinung Gottes), folgert Philo aus den Worten der heil. Schrift selbst, da Abraham die Männer so anredet, als wenn nur einer da wäre, und einer nur zu Sara spricht und ihr die Geburt eines Sohnes verheisst. Dasselbe ergibt sich auch aus der Erzählung von dem Untergang von Sodom, zu dessen Schilderung Philo jetzt übergeht (§ 133–146); denn nach Sodom gehen von den drei Männern nur zwei, weil nämlich Gott persönlich nur erscheint, um das Gute zu gewähren, das andere aber den ihm untergebenen Kräften überlässt, um nicht selbst für den Urheber des Bösen gehalten zu werden; die eine Kraft, die strafende, erscheint in Sodom, um die vier Städte

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Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 94. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/4&oldid=- (Version vom 9.3.2019)