Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn | |
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hinaus und wanderte mehr mit der Seele als mit dem Körper, da himmlische Liebe über seine Zuneigung zu Sterblichen den Sieg davontrug. 67 Er kümmerte sich also um niemand, nicht um Stammes- und Volksgenossen, nicht um Gefährten und Freunde, nicht um Blutsverwandte von väterlicher oder mütterlicher Seite, nicht um Vaterland, nicht um frühere Sitten, nicht um Verkehr und Umgang, lauter Dinge, die den Menschen anlocken und von denen er sich nicht leicht losreisst, da sie eine stark anziehende Kraft haben; aus freiem und ungehemmtem Antriebe zieht er so schnell als möglich von dannen, zuerst aus dem Chaldäerlande, einer glücklichen und zu jener Zeit blühenden Gegend, in das Land der Charräer (1 Mos. 11,31. 12,5), nicht lange darauf aus diesem wieder an einen andern Ort, über den wir sprechen werden, nachdem wir vorher noch folgendes angeführt haben.
[15] 68 Die erwähnten Wanderungen geschahen nach der buchstäblichen Auffassung der Schrift durch einen weisen Mann, nach den Regeln der Allegorie aber durch die tugendliebende und den wahren Gott suchende Seele. 69 Die Chaldäer nämlich betrieben vorzugsweise die Sternkunde und schrieben alles den Bewegungen der Gestirne zu; daher glaubten sie, dass alles in der Welt von Kräften geleitet wird, die in Zahlen und Zahlenverhältnissen enthalten sind, und priesen das sichtbare Sein, während sie das unsichtbare und rein geistige nicht begriffen. Bei ihrer Durchforschung der in jenen (Himmelskörpern) herrschenden Ordnung, die in den Kreisbewegungen der Sonne, des Mondes und der übrigen Planeten und der Fixsterne, sowie in dem Wechsel der Jahreszeiten und in den engen Beziehungen zwischen den himmlischen und irdischen Dingen zu Tage tritt, nahmen sie an, dass die Welt selbst Gott sei, indem sie sündhafterweise das Geschaffene dem Schöpfer gleichstellten. 70 Nachdem Abraham in diesem Glauben herangewachsen und lange Zeit Chaldäer (Sternverehrer) gewesen war, öffnete er wie aus tiefem Schlafe [12 M.] das Auge der Seele und begann statt tiefer Finsternis reinen Lichtglanz zu schauen; er folgte diesem Licht und nahm wahr, was er vorher nicht gesehen hatte, einen Lenker und Leiter der Welt, der über sie waltet und in heilsamer Weise
Philon: Ueber Abraham (De Abrahamo) übersetzt von Joseph Cohn. H. & M. Marcus, Breslau 1909, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PhiloAbrGermanCohn.djvu/21&oldid=- (Version vom 11.5.2019)