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Aber weil sie besteht, lässt auch das Landvolk durchaus nicht von seinen Sagen. Wer das Vertrauen der Leute gewonnen hat, kann leicht seine Taschenbücher mit Sagen, die noch nirgends verzeichnet sind, reichlich füllen.

Schwerer schon ists mit Märchen. Selten erzählen Männer Märchen: hier ist das Gebiet der Frauen, denn Märchen dienen vorzugsweise als Erziehungsmittel der Kinder. Je mehr nun die mit grösstenteils vergessenwertem und daher auch bald vergessenem, aber stets neuzugeführtem Stoff gefüllten Tagesblätter die Dörfer aufsuchen, je mehr verschwindet auch das Märchen. Es gelingt immer seltner eine gute Märchenerzählerin aufzufinden. Der behagliche, ruhige, epische Fluss der Märchenerzählung mit seinen oft wahrhaft homerischen formelhaften Wiederholungen entspricht so wenig mehr dem nach augenblicklichen Wirkungen haschenden Erzählerstil unsrer Zeit. Ich war aber so glücklich eine nun etwa sechzigjährige Frau zu finden, die zu hören und zu erzählen verstand. Sie ist aufgewachsen in dem Dörfchen Lobenfeld, stammt aus einem alten guten Bauerngeschlecht und ist und bleibt auch Bäuerin, wenn auch ihre Kinder städtischen Kreisen sich zugewandt haben. Sie hat mir die nachfolgenden „Määrlin“ erzählt, die ich ganz genau niedergezeichnet habe. Ich bin um kein Wort, keine Silbe abgewichen, denn ich war der Meinung, dass es nicht wertlos sei, auch den Erzählerstil des Volks kennen zu lernen. Ich bin also in der Treue der Aufzeichnung bedeutend weiter gegangen als die Brüder Grimm, deren Kinder- und Hausmärchen trotz der Schlichtheit der Darstellung doch vielfach den Altertumskundigen erkennen lassen. Auf der andern Seite wollte ich aber nicht so weit gehen, die Laute in ganz genauer Schriftzeichnung wiederzugeben. Meine Lobenfelder Märchen sollen eben nicht allein dem „Lautschieber“ dienen, sondern als Erzählung, als Ganzes wirken. Doch habe ich versucht nach Möglichkeit mit den in unsern geläufigen Schriftzeichen gegebenen Mitteln den Sprachlauten der südfränkischen Mundart von Lobenfeld nahezukommen.

Sagen aus Lobenfeld will ich an anderm Orte veröffentlichen

Empfohlene Zitierweise:
Fridrich Pfaff: Märchen aus Lobenfeld (1896). Trübner, Straßburg 1896, Seite 64. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Pfaff_Maerchen_aus_Lobenfeld.djvu/3&oldid=- (Version vom 1.8.2018)