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Marienkirche.“ „Ja wohl, mein Sohn,“ sagte er, „du hast es gefunden, es hat grüne Fensterladen und davor steht ein Feigenbaum. Nun, nimm diesen Korb, trage ihn zur Tante[1] und sage, ich liesse ihr sagen, sie solle dich mit meinem Sohne Toros in den Garten hineinlassen und dort mögt ihr essen, was ihr wollet.“ Er gab mir einen sauberen Korb in die Hand und als ich hineinschaute, erblickte ich darin eine Hammelleber. Vor dieser ekelte mir so sehr, als wäre es ein krepierter Hund gewesen. Zu jener Zeit verabscheute man die Leberesser nicht weniger als Diebe und Falschmünzer; sie waren mit ihrer ganzen Familie dem Spotte ausgesetzt und ordentliche Leute gingen gar nicht mit ihnen um. In jenem Augenblicke vergass ich ganz und gar, dass Sarkis ein guter Mensch sei, ich vergass seinen Obstgarten und seine hübsche Tochter, von der mir unser altes Mütterchen so viel Schönes erzählt hatte. Die Leber hatte mit einem Male alles verdorben. Sarkis bemerkte das und fragte mich lächelnd: „Was ist denn mit dir?“ – „Habet Ihr einen Hund im Hofe?“ fragte ich ohne auf seine Worte zu achten. „Nein,“ sagte er. „Für wen ist denn also diese Leber?“ – „Für niemand anders als für uns, wir werden sie selbst essen.“

  1. Sarkis nennt hier seine Frau so.
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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/59&oldid=- (Version vom 1.8.2018)