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und neue Dinge zu erzählen. Wir sprachen und sie sprach auch und erzählte alles, was sie erlebt hatte, was sie gelernt hatte, eins verstanden wir, das andere nicht, aber wir hörten ihr doch zu, denn die Ärmste hatte eine so süsse Stimme wie eine Nachtigall. Es war uns genug ihre Stimme zu hören, wozu brauchten wir noch die Worte verstehen. So sassen wir anderthalb Stunden bei ihr und als wir aufstanden, umarmte sie wieder meine Alte und bat sie wie eine leibliche Tochter doch recht oft wiederzukommen; auch mich lud sie ein. Dann schickte sie jeden Tag ihren Bedienten nach uns oder wenn schlechtes Wetter war, schickte sie gar ihren Wagen nach uns. Und nicht nur für uns war sie so freundlich und sanft, nein, jedem gegenüber war sie menschlich und gut.

„Und wieder versammelte sie die Armen um sich herum und setzte sich zu ihnen und tränkte und speiste sie. Sie half den Kranken, den armen Wanderern, aber nicht so wie eine reiche, vornehme Dame, die ihnen Geld hinwirft. Gott bewahre! Sie verkehrte mit ihnen wie mit Verwandten, wie mit Brüdern. Sie sagte nie: „Heda, du Mann oder du Weib!“ Nein solche Worte kamen nie aus ihrem Munde. „Brüderchen, Väterchen, mein Schatz,

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 32. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/42&oldid=- (Version vom 1.8.2018)