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sollst du die meinige werden! Bist du bereit, mit mir alle Missgunst und Prüfungen des Lebens zu ertragen?“

„O selbst im dunklen Gefängnisse mit dir zu leben wäre ein Glück für mich!“

Die seelischen Erschütterungen, welche in so kurzer Zeit auf einander gefolgt waren, erfüllten mich mit Schrecken und wirkten nachteilig auf meinen Körper. Ich brauchte Luft und Ruhe, wenn ich nicht erkranken wollte, besonders da mich von Zeit zu Zeit ein Frösteln überkam, als sei ein Fieber im Anzuge. Ich küsste unzählige Male Mariens Hand, verliess sie und ging nach Hause.

V.

Glücklicherweise erkrankte ich nicht, aber mein Herz war überwältigt und meine Liebe zu Marien entbrannte mit jedem Tage mehr. Täglich besuchte ich sie zwei oder drei Mal in ihrem Stübchen und verbrachte wonnige Stunden mit ihr, die allerdings nicht immer frei von erschütternder Betrübnis waren. Ja, jemehr in Mariens Herz die Liebe zu mir entbrannte, desto trauriger und besorgter schien sie zu werden, desto öfter entschlüpften ihren Lippen verzweiflungsvolle Worte, deren ernsthafte Bedeutung ich damals leider nicht verstand.

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 160. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/170&oldid=- (Version vom 1.8.2018)