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„O heiss wünsche ich, dass es so sein möchte, wie du sagst!“ flüsterte sie seufzend.

„Was bedeutet dieses „Ich wünsche“? Liegt es nicht in deiner Macht zu wünschen und diesen Wunsch auszuführen? Hast du nicht die Freiheit, zu lieben, wen du willst?“

Anstatt mir zu antworten, wandte sich Marie von mir ab und fing an zu weinen. Ich dachte, dass ihr der Schmerz um den Verlust der geliebten Mutter diese Thränen aus den Augen presse, aber in der Folge sollte ich erfahren, dass ich mich geirrt hatte.

„Ach, Michael!“ begann sie plötzlich, „du weisst nicht, wie sehr ich dich liebe und doch bin ich deiner Liebe nicht würdig. O mein Teurer, warum bin ich dir begegnet? … Du raubst mir das Leben!“

Ihre Worte verwirrten mich ganz und gar.

„Michael!“ fuhr sie fort, „du siehst, wie sehr, wie heiss ich dich liebe, aber höre: Du musst mich rauben, entführen, weit, weit fort von hier!“ Sie fiel mir an die Brust und küsste mich.

„Marie!“ sagte ich, „du kannst an meiner Liebe nicht zweifeln, aber nie würde ich mich entschliessen, dich zu entführen. Ich will nicht eine Geliebte, aber eine rechtmässige, teure Gattin in dir haben. Ja, in ein paar Wochen

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 159. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/169&oldid=- (Version vom 1.8.2018)