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dass die unsrige niemandes Aufmerksamkeit auf sich lenkte.

Ich ging zum Pastor und bat ihn, doch auf das arme Mädchen Rücksicht zu nehmen und ihrer verstorbenen Mutter den kirchlichen Segen zu erteilen.

„Aber zu wem von euch soll ich denn zuerst kommen?“ antwortete mir der Pastor ungeduldig und barsch, als ob ihn die Armut des Mädchens dazu erdreistet hätte. „Wartet ein wenig oder wenn ihr nicht wollet, so bestattet die Leiche ohne mich! Ich werde dann hinkommen und ein Gebet für sie sprechen. Ihr seht ja, dass ich keine Zeit habe.“

Ziemlich entrüstet über das Benehmen des Pastors ging ich zu dem Mädchen zurück und wiederholte ihr dessen Worte.

„Machen Sie es wie Sie glauben,“ antwortete sie mir.

Während dieser Zeit gingen die Frauen ungeduldig auf dem Friedhofe hin und her und dachten gar nicht daran, uns Hülfe zu leisten, ja, die unzusammenhängenden Worte, die sie aussprachen, schienen mir eher Flüche als ein Gebet zu sein. Ich selbst war nicht mehr im Stande, mich länger zu geduldigen, mein Herz empfand ein reges Wehgefühl, meine Augen wurden feucht und meine Stimme

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/115&oldid=- (Version vom 1.8.2018)