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Zusammentreffens bitten, doch ich wurde plötzlich nüchtern und gestand mir selbst ein, dass es höchst unschicklich gewesen wäre, in einem so feierlich-traurigen Augenblicke meine unstatthafte und thörichte Neugier befriedigen zu wollen.

Als ich mich den Frauen näherte, waren sie ziemlich aufgeregt und in Verlegenheit, denn es war niemand da, der beim Herunterheben des Sarges Hülfe geleistet hätte und obgleich der Kirchhof voll von Leuten war, so waren doch alle nur mit sich selbst beschäftigt. Nicht ein einziger der Anwesenden zeigte sich bereit, der verlassenen Toten einen letzten Dienst zu erweisen. Das Mädchen warf ängstliche Blicke umher, die leicht zu verstehen waren. Ich bat daher den Kutscher, den Sarg an dem einen Ende zu halten, während ich das andere ergriff und so hoben wir ihn vom Wagen auf den Boden herunter. Übrigens war der Sarg so leicht, dass ich ihn auch ohne Hülfe des Kutschers herunter gehoben hätte. Die Arme ist gewiss an der Schwindsucht gestorben! dachte ich bei mir. Hierauf trugen wir den Sarg an ein frisch gegrabenes Grab. An jenem Tage beerdigte man auf dem lutherischen Friedhofe mehr als zehn Leichen und es war daher nicht zu verwundern,

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Rafael Patkanjan: Drei Erzählungen. Wilhelm Friedrich, Leipzig [1886], Seite 104. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:PatkanjanDreiErz%C3%A4hlungen.pdf/114&oldid=- (Version vom 1.8.2018)