über das Tun des Pilatus zurückzuführen sein?). Wir erfahren ferner, daß in demselben Jahre der jüdische Herrscher seine Niederlage gegen die Araber sofort dem Kaiser gemeldet hat, der unverzüglich seine Unterstützung anordnete (§ 115). Ebenso ist es für das Verhältnis des Tetrarchen zum Kaiser bedeutsam, daß Tiberius die Anklage Agrippas I. gegen ihn, die gleichfalls in das J. 36 n. Chr. fällt, ohne weiteres zurückgewiesen hat (Joseph. bell. Iud. II 178).
Außer für die äußere Politik ist die Gründung von Tiberias auch für die innere Politik, für die Stellung des Tetrarchen zum Judentum und zum Hellenismus, sehr kennzeichnend. So hat er sich bei ihr ohne weiteres über gewichtige, der Gründung entgegenstehende Bestimmungen des jüdischen Gesetzes (Verunreinigung der jüdischen Bewohner durch an der Baustätte befindliche alte Gräber) hinweggesetzt; er hat in Tiberias zum Greuel der Frommen mit Tierbildern geschmückten prächtigen königlichen Palast (Joseph. vita 65ff.), und auch ein Stadion erbaut (Joseph. bell. Iud. II 618. III 539; vita 92. 331) und der doch wohl von Anfang an vornehmlich von Juden bewohnten Stadt eine echt hellenistische Verfassung mit βουλή und den einschlägigen Beamten gegeben.
Die Einrichtung der Hauptstadt als echt griechische πόλις zeigt uns schon die Beibehaltung der hellenistischen Verwaltungsmaximen des Vaters (s. S.110ff. u. 157). Herodes Antipas hat bei dieser Stadtgründung aber auch im übrigen nicht anders als alle hellenistischen Herrscher gehandelt; so hat er wie diese Zwang angewandt, um die nötigen Bewohner aus anderen Orten heranzuziehen, und auch den Bürgern den für die hellenistischen Ortschaften üblich gewordenen Zwang auferlegt, in der neuen Heimat bleiben zu müssen (s. Kuhn Über d. Entsteh. d. Städte d. Alten 427. Rostowzew Stud z. Gesch. d. Kolonats 305f.). Gerade die Zwangsbestimmungen sind zumeist nicht richtig gewertet worden, sodaß man den Charakter der Bevölkerung zu minderwertig eingeschätzt und hiernach auch das ganze Vorgehen des Tetrarchen nicht richtig beurteilt hat. Das, was über die Aufnahme von ἄποροι und sogar von Sklaven von Josephus berichtet wird, ist übrigens mit Vorsicht aufzunehmen, da die Tendenz der hier zugrundeliegenden Quelle für Herodes Antipas nicht günstig ist (wieder ein Moment, das gegen die Verwertung von Memoiren des Antipas durch Josephus spricht, vgl. S. 180*). Die übliche Wiedergabe des Wortes ἄποροι (Keim 44. Brann 314. Schürer I³ 433) mit ‚Bettler‘ geht zudem viel zu weit; man hat in ἄποροι vielmehr einen terminus technicus der hellenistischen Verwaltungspraxis, das Gegenstück zu den εὔποροι, zu sehen, d. h. Leute, welche den für Liturgien erforderlichen, durch den Besitz bestimmter Vermögenskategorien bedingten πόρος nicht besaßen (s. schon Otto Priest. u. Tempel im hellen. Ägypten II 185, 5, und jetzt Wilcken Papyruskunde I 1, 343).
Die neue Hauptstadt hat der Tetrarch sich auch als seine Münzstätte gewählt (s. bei Madden Coins of the Jews 119f. die Münzen mit der Aufschrift des Reverses ‚Tiberias‘, die man als direkte Stadtmünzen von Tiberias [s. Schürer II⁴ 219] nicht fassen darf, da sich sonst bei Berücksichtigung [184] des argumentum e silentio die Aporie ergäbe, daß unter Tiberius zwar nicht Herodes Antipas, wohl aber seine Hauptstadt geprägt haben würde).
Die neue jüdische Stadt in ihrer echt griechischen Form bedeutet selbstverständlich an und für sich schon einen Schlag ins Gesicht des strengen Judentums, und dieser mußte noch verstärkt werden, da man in ihr eine bewußte Nebenbuhlerin von Jerusalem, der immer noch, wenigstens im strengen Sinne, einzigen jüdischen Stadt, sehen mußte (Sebaste in Samarien und Kaisareia galten ja als solche nicht).
Die Zuneigung des Tetrarchen zu griechischer Kultur und seine Verbindung mit dem Griechentum beweisen alsdann auch zwei griechische Ehreninschriften. Die eine von der Insel Kos zeigt uns, daß Herodes Antipas die Insel wohl gelegentlich einer seiner Romreisen besucht haben muß und bei einem Koer abgestiegen ist (Dittenberger Syll. [or.] I 416; seine Datierung der Entstehung der Gastfreundschaft, auf die Agrippafahrt des ersten Herodes im J. 14 v. Chr. ist wegen des damaligen Alters des Tetrarchen – er war noch ein kleiner Knabe – ausgeschlossen). Der Besuch war augenscheinlich eine Folge der Vorliebe seines Vaters für die Insel (Joseph. bell. Iud. I 423). Die andere in Delos gefundene Inschrift (Dittenberger Syll. [or.] I 417) weist uns auf irgendwelche, uns leider nicht näher bekannte Verdienste des Tetrarchen um diese Insel hin, für die Athen und die Delier ihren Dank abstatten.
So ist es auch verständlich, daß Herodes Antipas den religiösen Bewegungen im Judentum seiner Zeit, wie der von Johannes dem Täufer entfachten messianischen Bewegung und Jesus’ Auftreten, religiös ganz indifferent gegenübergestanden zu haben scheint. Denn sein Vorgehen gegen Johannes hat mit Religion nichts zu tun (Marc. VI 20 ist tendenziöse Erfindung); man wird vielmehr Joseph. ant. Iud. XVIII 108 Glauben schenken dürfen, daß die Furcht, das Auftreten des Täufers könnte zu politischen Unruhen führen, allein die Gefangensetzung des Johannes veranlaßt hat. Diese Furcht wird alsdann besonders begreiflich, wenn man die Angabe der Synoptiker, Johannes habe die zweite Ehe des Fürsten scharf getadelt (Matth. XIV 3f. Marc. VI 17. Luk. III 19), hiermit verbindet; wer so frei redete, mußte als ein besonders gefährliches Element erscheinen (die Evangelien irren natürlich, wenn sie diesen Tadel, also ein rein persönliches Moment, als den einzigen Grund für das Vorgehen des Tetrarchen hinstellen. Eine Vereinigung ihrer Angaben und der des Josephus hat auch schon Schürer I³ 437f. versucht. Für die Zuverlässigkeit des Josephusberichtes tritt auch, wie ich nachträglich sehe, Dibelius Die urchristl. Überlief. von Johann. dem Täuf. 120ff. [s. auch S. 85f. 138] ein; sein vollständiges Verwerfen der Angabe der Evangelien erscheint mir jedoch nicht begründet).
Wie man ferner die Stellung des Fürsten zu Jesus später in christlichen Kreisen beurteilt hat, zeigt vor allem die Erzählung Luk. XXI 17ff., wonach der Tetrarch die feindselige Haltung der Juden zu Jesus zur Zeit von dessen Prozeß durchaus nicht geteilt haben soll (für sein früheres Verhalten gegenüber Jesus s. Näheres in meinem
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 183. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/112&oldid=- (Version vom 11.6.2023)