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mit diesen nach seinem Gutdünken zu verfahren; er riet aber, die Jünglinge vor einen Gerichtshof in Berytos zu stellen, der aus römischen Beamten, den Großen Syriens und Anhängern des Königs zusammengesetzt sein sollte. Augustus hoffte wohl auf diese Weise die Jünglinge noch retten zu können, aber das Gericht, das H. nach den Wünschen des Kaisers berief und vor dem er sich bei seiner Anklage gegen die Söhne wie ein Rasender gebärdete, hat, ohne die Jünglinge zu hören, sie fast einstimmig zum Tode verurteilt. Es war die Farce einer Gerichtsverhandlung (bell. Iud. I 535–543; ant. Iud. XVI 332–335. 354–369).

Den Vollzug des Todesurteils hat Nikolaos, der gerade von Rom zurückkehrte, noch für einige Zeit aufzuhalten verstanden; er gab dem Könige vor allem unter Hinweis auf die Stimmung in den höheren römischen Kreisen den Rat, Gnade für Recht ergehen zu lassen (wenigstens hat er dies selbst behauptet, Nikol. Damasc. frg. 5 [FHG III 352]; ant. Iud. XVI 370–372). H.s Zögern ist jedoch bald ein Ende gemacht worden. Im Heer begann sich Mitleid mit den Verurteilten zu regen und daneben Unwille gegen Antipatros, in dem man mit Recht ihren Verderber erblickte. Ein alter Veteran in Kaisareia wagte es sogar als Sprecher dieser Stimmung offen vor den König zu treten, als sich dieser in jener Stadt aufhielt. Jetzt glaubte H. nicht mehr zögern dürfen, zumal Antipatros die Gefährlichkeit der Bewegung dem Könige besonders eindringlich vorgestellt zu haben scheint. Die der Sympathie für die Mariammesöhne verdächtigen Mitglieder des Heeres ließ der König von dem Volke von Kaisareia in einer tumultuösen Gerichtsverhandlung steinigen, seine Söhne in Sebaste erdrosseln[1]. Der [RE:138] jetzt zumeist übliche Ansatz des Todes der Mariammesöhne ins J. 7 v. Chr. dürfte wohl das Richtige treffen (s. Schürer I³ 373, 18).

Der häusliche Unfriede ist trotz der Beseitigung der Mariammesöhne nicht geschwunden; das Elend ist in der Folgezeit sogar noch größer geworden. Antipatros war zwar seiner Nebenbuhler ledig, er wurde zum alleinigen Nachfolger designiert (s. S. 144), er war der unumschränkt mächtigste Mann im Staate, der auf seinen doch nun auch schon alt gewordenen Vater einen unheimlichen Einfluß auszuüben verstand, aber er fühlte, [142] daß er beim Volk und, was ihm noch bedenklicher erschien, auch beim Heer verhaßt war; er fürchtete zudem, daß sein Intrigenspiel doch einst zu Tage kommen und ihn selbst vernichten könne, und er beobachtete mit Mißtrauen, daß H. sich der Kinder der Hingerichteten liebevoll annahm und durch frühzeitige Verlobungen mit anderen Familienmitgliedern auch ihre Zukunft sicherer zu stellen suchte. In ihnen erschienen ihm neue Rivalen zu erstehen. So begann bei Antipatros der Gedanke an die Beseitigung des Vaters an Boden zu gewinnen; denn nur so schien ihm das Ziel all seiner Ränke, die Herrschaft, sicher zu sein. Zunächst war er durch reiche Spenden fieberhaft bemüht, sich Freunde im väterlichen Reiche und in den einflußreichen römischen Kreisen zu erwerben und verstand es ferner den mit seinem Bruder wegen seiner Heirat immer noch gespannten Pheroras und seine Gruppe – Pheroras stand übrigens ganz unter dem Einfluß seiner Frau, seiner Schwiegermutter und Schwägerin – für sich und seinen Plan zu gewinnen; aus dem königlichen Harem stand auf seiner Seite außer seiner Mutter noch die zweite Mariamme (bell. Iud. I 599; ant. Iud. XVII 78). Dagegen gelang es Antipatros nicht, auch Salome auf seine Seite zu bringen, sondern sie, die vielleicht allein von allen ihm in der Kunst der Intrige gewachsen war, wurde sogar seine Gegenspielerin[2].

Salome denunzierte zunächst ihrem Bruder die auffällig große Vertraulichkeit des Antipatros mit Pheroras und den Seinen und ließ sich auch nicht täuschen, als die Verbündeten ihr Einvernehmen von jetzt an ängstlich nach außen zu verbergen suchten. Es gelang ihr außerdem, zu erkunden, daß die Frau des Pheroras in engster Verbindung mit Pharisäern stand, welche messianische Weissagungen verbreiteten, und mit diesen, die auf die Prophezeiung des baldigen Sturzes des Königs und seines Hauses hinausliefen und auch so verstanden wurden, sogar in den Kreisen der Hofleute des Königs [RE:139] Anklang fanden; Pheroras’ Frau hat aus ihnen sogar Hoffnung auf die eigene Herrschaft geschöpft. Auf die Kunde hiervon ist H. aufs energischste eingeschritten; er hat alle schuldigen Pharisäer, sowie die von ihnen betörten Hofleute hinrichten lassen (bell. Iud. I 569f. 571, ant. Iud. XVII 36–46[3]. Er bricht also damals – es


  1. Bell. Iud. I 544–551; ant. Iud. XVI 373–394. Nikol. Damasc. a. a. O. Für die Darstellung des Nikolaos ist diese Stelle, wie schon hervorhoben (s. S. 133 Anm.) sehr typisch; er übergeht alle Ereignisse, die uns die Stimmung des Heeres wiederspiegeln, und läßt nur Antipatros auf die Gefahr, die von dem von den Jünglingen gewonnenen Heere und von den Hofwürdenträgern drohe, hinweisen und hierdurch dem Könige Angst machen. Antipatros trägt so ganz allein die Schuld. Es spricht sich in dieser Darlegung der ganze Haß des Damaszeners gegen diesen aus. Charakteristisch erscheint mir auch, daß H. nach Nikolaos bei Nacht, sozusagen heimlich, den Befehl zur Hinrichtung erteilt hat; vgl. die ähnlichen Angaben über den Tod seines Schwagers Aristobulos, bell. Iud. I 437.
  2. Bell. Iud. I 552–562. 564f. 567f.; ant. Iud. XVII 1–9. 12–18. 32–35. Nikol. Damasc. frg. 5 [FHG in 352]. Für die Verhaßtheit des Antipatros s. auch bell. Iud. I 606. 614; ant. Iud. XVII 82. 88. Nikolaos übertreibt jedoch, wenn er auch von der allgemeinen Verhaßtheit außerhalb des jüdischen Reiches und sogar in Rom berichtet; bell. Iud. I 554 bietet zwar dieselbe Tradition, s. aber ant. Iud. XVII 6f. 52; auch bell. Iud. I 573. Es ist dies für die Tendenz des Nikolaos bezeichnend. Quellenkritisch ist auch ein Vergleich von bell. Iud. I 568 mit ant. Iud. XVII 34 sehr interessant weil er uns zeigt, wie aus derselben Tatsache zwei ganz verschiedene Angaben entstehen können, vgl. bell. Iud. I 571; ant. Iud. XVII 46.
  3. Das Einschreiten des Königs gegen die Verbreiter der messianischen Weissagungen scheint mir WS: Die auf der nächsten Seite fortgesetzte Anmerkung wurde hier vervollständigt vor allem den Anlaß gegeben zu haben zu der Bildung der Legende vom bethlehemitischen Kindermord (Matth. II 13ff.). Vollverbürgte Geschichte kann ich anders als etwa Zahn Das Evangel. d. Matth. 182ff. in diesem Bericht des Matthäus nicht sehen; schon seine unlösliche Verbindung mit der kalendarischen Erzählung von dem Besuch der Weisen aus dem Morgenlande spricht, abgesehen von dem hier vorliegenden sagenhaften Motiv, von allen Einzelheiten und dem sonstigen Nichtbezeugtsein der Erzählung (Macrob. Sat II 4, 11 ist selbstverständlich als eigenes Zeugnis nicht zu fassen), gegen die Geschichtlichkeit (s. hierzu etwa Keim 37. Reville 3. Bd. 83, 1. H. J. Holtzmann in seinem Synoptikerkommentar³ z. St. und E. Klostermann in Lietzmanns Handb. z. Neuen Testament II 1, 160f. 165). Wollte man auch Jesus mit dem gefürchteten König in Verbindung bringen, so konnte aus chronologischen Gründen allerhöchstens seine früheste Kindheit und H.s allerletzte Zeit in Betracht gezogen werden. Daß der Feind aller Juden auch dem Jesuskinde Feind gewesen sein mußte, schien selbstverständlich, und da man von messianischen Verfolgungen in den letzten Jahren des Königs wußte, so schien die Verfolgung des Messias in seiner Kindheit auch direkt bezeugt. Allgemein bekannt war dann die Tötung der eigenen Kinder durch H.; wer so handelte, dem durfte man die Ermordung fremder Kinder erst recht zutrauen. Man glaubte ferner auch an den wahnsinnigen Mordbefehl, den H. kurz vor seinem Tode zur Vernichtung der angesehensten Juden gegeben haben sollte (s. über diesen Befehl S. 148*), jenen Mordbefehl, der allenthalben Trauer in Israel entfachen sollte; der Glaube an den ebenso wahnsinnigen Mordbefehl gegen die Kinder in und bei Bethlehem kann daher sehr wohl gerade mit unter dem Eindruck des Wissens von jenem anderen entstanden sein, wozu selbstverständlich die Erinnerung an die Geschichten von der Bedrohung und Errettung berühmter Männer in ihrer Kindheit d. h. allgemeine Sagenmotive beigetragen haben werden.
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/091&oldid=- (Version vom 1.8.2018)