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sein] untergebracht worden [ant. Iud. XVII 20f.]; man kann jedoch dies auch als Anzeichen des verminderten Ansehens des Königs in römischen Kreisen fassen, braucht dies nicht auf größere Rücksichtnahme auf die religiösen Bedenken seines Volkes zurückführen – wäre dies letztere der Fall, so wäre dies Verhalten des Königs in Anbetracht der Zeit, in die es fällt, von Wichtigkeit –, und so wird man, zumal auch noch die Angabe selbst nicht ganz sicher ist, es besser unterlassen, weitergehende Schlüsse auf sie aufzubauen).

Großen Unwillen scheinen ferner auch die vielen Bauten außerhalb des Reiches, ebenso wie die sonstigen Spenden des Königs an die griechische Welt hervorgerufen zu haben; wurde doch hierdurch jüdisches Geld, dessen Aufbringen von dem Volke sehr schwer empfunden wurde, für die Heiden und zudem zum Teil gerade für so unsympathische Dinge [RE:104] wie den Bau heidnischer Tempel und Theater, sowie die Ausstattung von Götterspielen und Gymnasien in Unmengen aufgewandt (die Entrüstung hierüber spiegelt sich noch ant. Iud. XIX 329 wieder). H. sündigte durch dies alles doppelt in den Augen des Volkes.

Der jüdische Anonymus legt auch großen Nachdruck auf die groben Verstöße, die H. gegen die πάτρια (οἰκεῖα) ἔθη durch Einführung neuer Sitten und Einrichtungen begangen habe; man befürchtete durch sie die Auflösung der alten Frömmigkeit, man sah in ihnen große Gefahren für das ganze Volk (ant Iud. XV 267. 281. 328. 330. 365). Wie stark in fanatisch-jüdischen Kreisen der Unwille gerade hierüber gewesen ist, das zeigt die Verschwörung des J. 27 v. Chr., deren Ziel die Ermordung des Königs als des Verderbers des Volkes war (ant. Iud. XV 281ff.). Den Anlaß zu dem besonderen Ausbruch des Unwillens haben, wie es der jüdische Anonymus wohl richtig darstellt, der Bau des Theaters und Amphitheaters, sowie auch wohl des Hippodroms und die Einführung der Festspiele in Jerusalem gegeben. Daß von jetzt an gerade hierher, in die Hochburg des Judentums, auf die Aufforderung des Herrschers, die dieser ähnlich wie die hellenistischen Fürsten und Städte an alle Welt hatte ergehen lassen, von allen Seiten Athleten, Schauspieler und Musikanten herbeiströmten, daß sich gerade hier die heidnischen Gräuel der Gladiatoren- und Tierkämpfe, des Zirkus und des Theaters, alle Formen des griechisch-römischen Amüsements entfalteten, das mußte die Entrüstung aller streng Gesinnten um so mehr entflammen, als sicher manche Juden sich von dem Glanz der Spiele betören ließen (ant. Iud. XV 268–276. 280). Und in der Folgezeit zeigten die glänzenden Einweihungsfeierlichkeiten von Kaisareia, sowie die Festspiele, die auch hier eingerichtet wurden (bell. Iud. I 415; ant. Iud. XVI 137–140), ebenso wie die Theaterbauten an diesem Orte (bell. Iud. I 415; ant. Iud. XV 341) und sogar in Jericho (s. S. 85), daß H. sich nicht scheute, in der Heimat weiter an der Untergrabung der alten jüdischen Sitten zu arbeiten.

Der König stand eben der jüdischen Kultur, die derartige Dinge verabscheute, fremd gegenüber; dagegen zog es ihn unwiderstehlich hin zu der damaligen Weltkultur, zum Hellenismus: er war dessen überzeugter Vertreter und Verbreiter bei seinem Volke. Er soll dies auch selbst ausgesprochen [108] haben (ant. Iud. XIX 329): Ἕλλησι πλέον ἢ Ἰουδαίοις οἰκείως ἔχειν; sein Handeln entspricht jedenfalls diesen Worten. Der Hellenismus gab seinem Wesen und Wirken das Gepräge. Man erinnere sich außer an die Spenden des Königs ans griechische Ausland und die Feier der Spiele, auch an seine Bauten in der Heimat, die entweder einen geradezu unjüdischen Charakter hatten oder doch wenigstens zumeist im Stil der hellenistischen Architektur errichtet wurden (hat doch dieser Stil selbst beim Tempelbau Anwendung gefunden, s. S. 104). Das ganze Milieu des königlichen Hofes hat sich ferner, wie schon bemerkt (s. S. 85ff.), von dem der hellenistischen Fürstenhöfe kaum unterschieden. Man denke nur an die Hoftitel und die vielen Griechen, die durch H. in sein Reich und an den Hof gezogen worden sind und hier eine besonders angesehene Stellung [RE:105] als Literaten und als Staatsmänner einnahmen. Ein Mensch wie Eurykles ist an diesem Hofe ganz allein, weil er Spartaner war, mit der größten Auszeichnung behandelt worden (bell. Iud. I 515).

Man darf es weiterhin wohl nicht als einen Zufall lassen, daß uns in den letzten zwei Jahrzehnten des Königs in seiner näheren Umgebung nur ein einziger Mann begegnet, der einen einheimischen Namen getragen hat, sein Vetter Achiab (bell. Iud. I 662; ant. Iud. XV 250. XVII 184; bei dem φίλος des H. Σαππῖνος bezw. Σαπύννιος oder Σαπφίνιος wage ich keine Entscheidung, da der Name zu unsicher überliefert ist, ant. Iud. XIV 377. XVI 257; bell. Iud. I 280), während in der Zeit vorher verschiedene solche Männer vorhanden sind – zwei Josephs (s. S. 43 u. 53), Kostobar, Sohaemus und Gadias (ant. Iud. XV 252). Der König selbst trug anders als die Hasmonäer nur einen griechischen Namen und keinen griechisch-jüdischen Doppelnamen; er hat auch seinen vielen Kindern, abgesehen von dem Namen seiner geliebten Geschwister, seines Bruders Phasael und seiner Schwester Salome, nur griechische Namen gegeben, und selbst jene Namen hat er nicht in erster Linie verwandt. Auch die Namen seiner vielen Frauen sind zumeist griechisch gewesen (s. die genealogische Tabelle).

Der König hat sich dann noch als älterer Mann, etwa als guter 50er, eifrigst bemüht, tiefer in die griechische Bildung einzudringen, hat mit Nikolaos von Damaskos philosophische, rhetorische und historische Studien getrieben, hat diesen zu seinem Hofhistoriographen gemacht und sich von ihm ein Handbuch der Weltgeschichte in griechischer Sprache für seine historischen Studien verfassen lassen (Nikol. frg. 4 [FHG III 350f.]; ant. Iud. XVI 183. Der Beginn der Studien des Königs fällt vor seine Romreise im J. 12 v. Chr., da ihn auf dieser und nicht auf der früheren vom J. 18/7 v. Chr. Nikolaos begleitet [man beachte die spätere Stellung von frg. 4 zu dem ein Ereignis d. J. 14 v. Chr. behandelnden frg. 3 in den konstantinischen Exzerpten περὶ ἀρετῆς, eine spätere gibt es nicht s. S. 126 Anm.] und mit ihm, der sich schon griechische Bildung angeeignet hatte, philosophische Gespräche geführt hat). Die Widmung eines anderen Werkes des Nikolaos, dessen Schrift zur vergleichenden Kulturgeschichte, der παραδόξων ἐθῶν συναγωγή (Triebers Zweifel an der Echtheit sind unbegründet, s. auch Dümmler Rh. Mus. XLII 192) hat er angenommen.

Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/074&oldid=- (Version vom 1.8.2018)