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es sogar 500 Talente gewesen sein); er hat also wohl gelegentlich auch ‚Bankier‘geschäfte betrieben, [RE:90] und schließlich sehen wir ihn sich sogar der Industrie zuwenden: im J. 12 v. Chr. hat er die Ausbeute der kaiserlichen Kupferbergwerke zu Soloi auf Kypern zur Hälfte übernommen, und zwar gegen einmalige Zahlung einer Pauschalsumme von 300 Talenten (ant. Iud. XVI 128; soweit ich sehe, ist die Stelle bisher noch nicht richtig aufgefaßt worden. Josephus spricht hier fälschlich von gegenseitigen Schenkungen des H. und des Augustus, den 300 Talenten und der ἡμισεία πρόσοδος der Bergwerke. Er fügt dann ausdrücklich hinzu, daß H. für diese ἡμισεία die ἐπιμέλεια erhielt; von der anderen ist garnicht die Rede. Es ist also falsch, von der Verpachtung des ganzen Bergwerkes gegen die Hälfte des Gewinns zu reden, so Marquardt Röm. St.-V. II² 261, 1).

Der Glanz des herodianischen Regiments, der uns zum mindesten von den 20er Jahren an allenthalben entgegentritt, ist nicht rein äußerlich gewesen; hat doch unter ihm das jüdische Reich einen Umfang erreicht, wie später nie mehr und vorher nur etwa zu den Zeiten Davids, und ist doch der äußere Glanz begleitet von einer Reihe positiver Leistungen zum Wohle des Reiches, die wir vor allem, nachdem dem Könige die Sicherung seiner Herrschaft gelungen war, beobachten können! So ist die Sicherheit des Landes nach außen eine der vernehmlichsten Sorgen der Regierung während ihrer ganzen Dauer gewesen (s. auch ant. Iud. XV 383). Der Sieg über die Nabatäer im J. 31 v. Chr. hatte den König keineswegs sorglos gemacht, sondern er hat die Grenzwacht gegen sie nie vernachlässigt: die Anlage der Festungen Machairus, Herodeion und Esbon legt hiervon Zeugnis ab, und durch die Begründung einer Militärkolonie in Esbon versuchte er zugleich die Grenzgebiete östlich des Jordans enger an sein Reich zu schließen (s. S. 82). Die zur Sicherung und Angliederung der Grenzmarken so wichtige Kolonisation hat er sich mit Recht auch sonst sehr angelegen sein lassen. So hat er auch den Süden und den Nordwesten durch Festungsanlagen und eine Militärkolonie – Masada und Gaba (s. S. 44 u. S. 82) – geschützt. Ferner ist er in den von ihm erworbenen östlichen Landschaften gegen das Räuberunwesen aufs energischste und auch erfolgreich vorgegangen (s. S. 73 und ant. Iud. XVI 273–285) und hat später auch dies Gebiet zunächst durch eine idumäische Militärkolonie von 3000 Mann in der Landschaft Trachonitis (ant. Iud. XVI 285. 292) und dann durch Ansiedlung eines starken Trupps militärisch besonders erprobter babylonischer Juden in dem Nachbardistrikt Batanaia (ant. Iud. XVII 23–28) gegen die stets drohenden Einfälle der arabischen Beduinen und gegen die eigene räuberische Bevölkerung (ant. Iud. XV 351ff. XVI 277ff.) zu sichern verstanden. Wie sehr ihm an der Gewinnung dieser jüdischen Militärkolonisten gelegen war, zeigen die besonderen diesen zugestandenen Bedingungen: nicht nur – wenigstens eine Zeit lang (s. S. 60) – vollständige Befreiung von der Abgabe von Grund und Boden und sonstigen die Untertanen betreffenden Lasten, sondern auch die Gewährung einer gewissen Autonomie (so wird man wohl die [94] ἐλευθερία in § 28 deuten dürfen [RE:91] [1]. Infolge der militärischen Vorsichtsmaßnahmen des Königs ist denn auch der jüdische Staat unter ihm vom J. 31 v. Chr. an von jeder größeren feindlichen Invasion verschont geblieben, was um so höher zu werten ist, als die arabischen Feinde infolge der völligen Gebundenheit des Königs in Fragen der äußeren Politik an den Willen Roms einen Angriffskrieg, jedenfalls einen großen Stils, kaum zu fürchten hatten (s. ant. Iud. XV 353, wo freilich der H. zu seinem Verhalten bestimmende römische Zwang verschwiegen wird, vgl. ferner XVI 276. 289. Der noch zu erwähnende Araberkampf des H. zeigt uns die Schwierigkeit seiner Lage besonders deutlich, s. S. 125ff.).

Aber nicht nur vom militärischen Gesichtspunkt aus sind diese Kolonisationen von großer Bedeutung, sondern ebenso sehr auch vom wirtschaftlichen und kulturellen. Denn durch den kolonisatorischen Eifer des Königs sind in der Nordostmark große bisher nicht ausgenützte Ländereien der Landwirtschaft erschlossen, es ist hier wertvolles Kulturland geschaffen, und so sind auch diese östlichen Gegenden der Zivilisation zugeführt worden (s. ant. Iud. XVI 271. Das Edikt Agrippas I. oder II. bei Dittenberger Syll. [or.] I 424 scheint mir mit Recht von Dittenberger als für die allgemeinen Kulturzustände dieser Gegenden nichts beweisend aufgefaßt zu sein. Vgl. auch Wellhausen 346. Auch hierdurch wird man bei diesen jüdischen Kolonisten an die ägyptischen Kleruchen erinnert, s. z. B. die feinen Bemerkungen von Rostowzew a. a. O. 9ff.).

Verdienstliche Maßnahmen des Königs auf dem Gebiete der inneren Politik lassen sich noch verschiedene aufzeigen. So waren von großem positivem Nutzen für das Reich waren ferner auch manche seiner Bauten, vor allem die Anlage neuer Städte, bei der militärische Gesichtspunkte (Festungen und Militärkolonien!) mit wirtschaftlichen vereinigt waren, sowie seine großartigen Bewässerungsanlagen. Im Anschluß an die Gründung von Phasaelis ist es ihm gelungen, ein fruchtbares, [RE:92] aber bisher nicht recht angebautes Gebiet der Kultur zu erschließen, auf dem von ihm vor allem große Palmenpflanzungen angelegt worden sind (s. Schürer II⁴ 204). Ermöglicht wurde dies, sowie überhaupt die Hebung des fruchtbaren Jordantales bei Jericho durch die Verwertung des Wassers der Gebirgsquellen, das in stundenlangen Wasserleitungen in Bassins in die Ebene geleitet worden ist, um von hier aus auf das kultivierte


  1. Bei diesen zum Teil in kleine Kastelle verteilten Juden wird man lebhaft an die castellani der Kaiserzeit – auch ihnen sind ja Ländereien unter Steuerfreiheit zugeteilt gewesen – erinnert; s. Mommsen Histor. Schrift. III 210ff. Aber auch an Arrian I 16, 5, wonach Alexander d. Gr. den Eltern bezw. Kindern der am Granikos Gefallenen vollständige Freiheit von der Bodenabgabe und von allen anderen persönlichen und dinglichen Lasten verliehen hat; es handelt sich offenbar auch hier um ,Kleruchen‘, aus deren Reihen sich das Heer rekrutiert (K. F. Neumann Entwickl. u. Aufgab. d. alt. Gesch. 47 scheint mir mit seiner Deutung der Arrianstelle als Hinweis auf Hörigkeit nicht im Recht zu sein).
Empfohlene Zitierweise:
Walter Otto: Herodes. Beiträge zur Geschichte des letzten jüdischen Königshauses. Metzler, Stuttgart 1913, Seite 93. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Otto_Herodes.djvu/067&oldid=- (Version vom 8.11.2022)