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die mir von Bauern, Arbeitern, Kleinbürgern, Hausierern und Studenten eingesandt worden waren und ließ mir gleichzeitig von meinen Helfern neues Material schicken. Ein ziemlich bedeutender Posten kam zusammen. Und fast nur Erotika. Zweifellos genügen dem Volk die mehr oder weniger schlüpfrigen und nur zweideutigen modischen Verse nicht. Es braucht für seine Sinnesfreude herzhaftere Kost. Und da hat sich gerade die alte Art und Weise erhalten, die aus dem Wesen unseres Volkes herausgewachsen ist und die bestimmt auch solange bestehen wird, wie ein deutscher Mann an die Freuden der Liebe denkt. Denn was im Wesen eines Volkes liegt, was aus seinem Fleisch und Blut herausgewachsen ist, kann nie ganz verschwinden. Neues kann neben ihm auftauchen. Aber Spuren des Alten werden immer durch die neuen, schlechtgewebten Gewänder blicken. Sie werden von Generation zu Generation weitergegeben. Wie das Lied von der Anne-Marie.

Die in dem Liede geschilderte Situation weist auf das mittelalterliche Deutschland hin, dessen Hurenhäuser oft vor den Toren lagen. Dieser aus Thüringen stammende Fassung reiht sich eine an, die von den Krefelder Tanzhusaren stammt und deren Ausdrücke viel unverhüllter sind. Der Anne-Marie wird geweissagt, daß sie keinen Mann bekommt. Sie antwortet, daß sie sich selber zu helfen wissen werde. Eine schlesische Variante der „Anne-Marie“ ist nicht weniger derb; ihr Schluß lautet:

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Hans Ostwald (Hrsg.): Erotische Volkslieder aus Deutschland. Eberhard Frowein, Berlin [1910], Seite 4. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ostwald_Erotische_Volkslieder_aus_Deutschland.djvu/4&oldid=- (Version vom 1.8.2018)