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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens

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Mein alter Dorfschulze erklärt mir, daß dieser Stein der Altar des furchtbarsten slawischen Gottes gewesen, dem man hier die Opfer brachte.

Die Nacht ist dunkel und hoffnungslos.

Ich höre nur das Rauschen und Fallen des Regens, das Plätschern des Wassers unter unseren Füßen, die wir nach jedem Schritt mühsam aus dem versumpften Boden ziehen, und das leise Flüstern der um den Altar des furchtbaren Perkun stehenden Dorfältesten.

„Macht das Feuer an“, befiehlt der Greis und von allen Seiten leuchten rauchende Birkenrinden auf, die nun zwei große Feuer entzünden, welche, gut gegen den Regen geschützt, zu riesigen Flammen anwachsen.

Der Greis am Altar entnimmt einem Sacke einen lebenden schwarzen Hahn, schneidet ihm die Kehle durch, bespritzt den Opferstock mit dem Blute des Tieres und ruft:

„Ihr alten Götter — Perkun, Wotos und Daschosch, helft, o helft uns, tut Einhalt dem Regen, gebietet zurück in ihre Betten die Flüsse und Seen. Wir rufen euch, wir flehen zu euch, helft uns!“

Die Männer und Frauen im Umkreise treten an den Rufer heran, ihn um den Segen bittend, so wie sie es vielleicht erst gestern vor dem Popen mit dem Kreuz getan.

Und der Greis, die Hände in das Blut des Opfertieres tauchend, zeichnet die Heiden des zwanzigsten Jahrhunderts.

*

Am schwarzen Meere begegnete ich gleicher Andacht.

An den Wolga- und Kamaflüssen kann man heute noch in den Hütten der Bauern unter Kreuzen und Heiligenbildern in der sogenannten roten Ecke, die der Eingangstür gegenüber ist, Holz- und Tonstatuen der Heidengötter sehen.

Oft flehen die Bauern zu ihnen um Hilfe und beschenken sie mit kleinen Opfern.

Kommt die Hilfe nicht, dann werden sie von dem Zorn der Enttäuschten mit Unrat besudelt und mit der Peitsche gezüchtigt.

Man möchte lächeln, wenn es nicht so tragisch wäre.

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Ferdynand Antoni Ossendowski: Schatten des dunklen Ostens. Eurasia, Wien 1924, Seite 59. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ossendowski_-_Schatten_des_dunklen_Ostens.djvu/63&oldid=- (Version vom 15.9.2022)